Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
meinesgleichen, die knapp am Boden Fersengeld
gaben, etwas angenehmer als die Zweibeiner oben, wo sich das Gas wie eine
Todeswolke am dichtesten zusammengebraut hatte. Doch wenn man diese ungesunde
Tatsache für einen Augenblick vergaß, konnte man dem Anblick der um die Wette
flitzenden Greisenolympioniken und den Fellknäueln mit Glasmurmelaugen auch
etwas Komödiantisches abgewinnen.
Dann jedoch hörte der Spaß auf. Ein Donnern, das wie das
Feuerbrüllen eines Drachen klang, ertönte auf halber Strecke aus dem Teil des
Gebäudes, in dem sich die Folterkammer befand. Ich wußte Bescheid: Wie geplant
hatte die finale elektrische Entladung aus der Zange am nassen Stoffbündel
Funken geschlagen und dadurch das Gas entzündet. Gleich drauf war ein weiteres
beängstigendes Geräusch zu vernehmen. Man hätte annehmen können, daß der
Feuerdrache nun kreischte. Vermutlich hatte die Explosion die oberen Stockwerke
und schließlich das Dachsegment zum Einsturz gebracht. Dann ging es Schlag auf
Schlag. In einer Kettenreaktion flog in schneller Folge ein gasumwölkter Raum
nach dem anderen mit monströsem Getöse in die Luft. Unter unseren Pfoten und
Füßen begann es stark zu beben, und um uns taten sich tiefe Risse im Mauerwerk
auf. Nun rannten wir um unser Leben, denn eine Explosion zog die nächste nach
sich. Eine Feuerwalze unglaublichen Ausmaßes rollte auf uns zu.
Kurz riskierte ich einen Blick zurück, ohne innezuhalten.
Wäre mein Selbsterhaltungstrieb auch nur eine Spur schwächer gewesen, hätte mir
das, was ich in diesem flüchtigen Moment sah, leicht den Verstand rauben
können. Hinter mir tobte ein Inferno biblischer Dimension. In gar nicht so
weiter Ferne verschlang ein riesiger Feuerball alles, was in seiner Nähe lag.
Hinter uns krachten Mauern, ganze Stockwerke und das Dach zusammen, bis sich
der silbrige Vollmondhimmel auftat.
Doch selbst dieses üble Katastrophenszenario war noch
steigerbar. Plötzlich schoß aus der Feuersbrunst mit einem lauten Schwirren
eine Feuerwerksrakete gen Firmament. Nein, bei genauerem Hinsehen handelte es
sich bei dem Flugobjekt nicht um eine Feuerwerksrakete, sondern um einen am
ganzen Leib brennenden und dabei wild mit den Armen rudernden und fürchterliche
Schreie ausstoßenden Menschen. Ich wußte sofort, daß diese menschliche Fackel
einer der jungen Ärzte sein mußte, die Refizul noch vor wenigen Stunden so
zugesetzt hatten. Dr. Gabriel vielleicht oder Dr. Michael oder Dr. Raphael oder
einer der anderen beiden. Ich kämpfte gerade mit dem moralischen Dilemma, ob
solch grausamer Tyrannentod gerechtfertigt war, da stieg aus der Feuersbrunst
die nächste lodernde Gestalt himmelwärts. Sie zappelte mit brennenden Gliedern,
kreischte und krähte und plumpste dann wie ihr Vorgänger aus einer Höhe von
etwa fünfzig Metern in einem weiten Bogen in den schwarzen See. Im Anschluß
daran folgten die anderen drei. Wie von einer Kanone abgefeuerte Geschosse
tauchten sie aus dem Explosionsherd auf, wurden mit unglaublicher
Geschwindigkeit in den Sternenhimmel katapultiert, um dann in ebenso rasender
Geschwindigkeit ins Wasser zu stürzen.
Langsam wurde mir klar, welche Hölle ich heraufbeschworen
hatte. Es war offensichtlich, daß wir in wenigen Sekunden allesamt in Flammen
aufgehen würden. In der Absicht, dem Tyrannen zu entkommen, drohte uns jetzt
das eigene Leben abhanden zu kommen. Mit letzter Not erreichten wir den
Zellentrakt, als hinter uns die bislang stärkste Detonation erfolgte. Das
Gedröhne war so laut, daß meine Trommelfelle kurzzeitig ihren Dienst versagten.
Ein gewaltiger Ruck ging durch den noch stehenden Teil des Gebäudes, und
plötzlich brach wie durch ein Wunder die komplette linke Mauer in sich
zusammen. Ein Schauer aus kleinen Steinen ging auf uns nieder, und
augenblicklich war der Ort von einem Staubnebel eingehüllt. Derweil rollte die
Feuerwalze von hinten immer näher an uns heran.
»Los, raus hier!« schrie ich. »Springt ins Wasser und versucht,
ans andere Ufer zu schwimmen!«
Das ließen sich die Alten und ihre vierbeinigen Freunde
nicht zweimal sagen. Wir stürzten über die weggebrochenen Mauerreste und eilten
in Richtung Wasser. Mit einem Seitenblick sah ich, wie Refizul sich Efendi auf die Schulter
setzte und über das kurze Stück Gras zum See lief. Ich selbst war dort schon
angekommen und machte ohne große Umschweife sofort die Bekanntschaft mit dem
nassen Element. Mit allen vieren trat ich wild das Wasser und bemühte mich, so
etwas
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