Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
einem Auge auf die hand-, o Pardon!, krallenschriftlichen Ergüsse meines großzügigen Gastgebers. Mochten die Texte auf den verstreut daliegenden Blättern vielleicht auch die Lösung des Weltproblems beinhalten, Schönschrift war jedenfalls nicht die Stärke des Verfassers. Das Ganze erinnerte eher an die verschlüsselten Geheimbotschaften eines Dr. Mabuse. Gemäß der Natur des Schreibwerkzeugs fiel der Duktus ausgesprochen mager aus, doch darüber hinaus schien der Autor eine Vorliebe für eine ameisenartige Miniaturklaue entwickelt zu haben, die bei menschlichen Schreibkundigen von besonders unsympathischen Eierköpfen bevorzugt wird. Pfeile verbanden die einzelnen Einträge miteinander, als stünden sie allesamt in einem Zusammenhang. Bevor ich jedoch die Dinge ausführlicher unter die Lupe nehmen konnte, fläzte Ambrosius sich seitlings auf die Skripte, versperrte mir so die Sicht und begann in aller Seelenruhe, die tintendurchtränkte Klaue zu lecken. Vielleicht war er süchtig nach dem Zeug. Dennoch konnte ich schlecht abschätzen, ob dieser Anflug von Behaglichkeit einer spontanen Laune entsprang oder nur dazu dienen sollte, meinen neugierigen Rotzkolben nicht in fremde Angelegenheiten zu stecken.
»Wie ich sehe, ha-ha-hast du ein bißchen spioniert, lieber Francis«, sagte der Tintenlutscher und lächelte hintergründig. Mit seinem mittlerweile schwarz verschmierten Maul glich er einem Kleinkind nach dem übermäßigen Genuß von Schokolade.
»Doch mit deiner Einschätzung hast du recht und u-u-unrecht zugleich. Recht deshalb, w-w-weil es sich bei Diana um alles andere als um eine begnadete Künstlerin handelt, und unrecht, weil auf keiner einzigen der Videokassetten ein Spielfilm aufgezeichnet ist. Sie beinhalten nämlich nichts als Daten oder vielmehr B-B-Bilder, auf denen oberflächlich betrachtet keine Bewegungen wahrzunehmen sind. A-A-Auf den Laien würden sie eine recht einschläfernde Wirkung haben, f-f-fürchte ich.«
Mir ging ein Licht auf. Warum war ich nicht schon früher darauf gekommen?
»Es sind Satellitenbilder! Und da auf der Satellitenschüssel da draußen das Wort ›Arche‹ steht, nehme ich an, daß der Himmelstrabant mit dem gleichlautenden Namen Informationen über die hiesigen Naturphänomene liefert.«
Ambrosius hob anerkennend die längst ergrauten Haarbüschel über den bernsteinfarbenen, stechenden Augen. Die raschen Schlußfolgerungen versetzten seinen ohnehin jeden Moment vor der Entgleisung stehenden Gesichtszügen einen Irritationsstoß erster Güte.
»Ko-Ko-Kompliment, mein Freund! Logik scheint wohl deine stärkste Disziplin zu sein. Hoffentlich verträgt die sich mit der von mir b-b-bevorzugten. Aber darauf kommen wir bestimmt noch später zu sprechen. Du hast jedenfalls i-i-ins Schwarze getroffen. Diana war bis vor eineinhalb Jahren eine Forstwissenschaftlerin gewesen. Mit einer ho-ho-hochmotivierten Gruppe von jungen Kollegen erforschte sie die Baumschäden, die zum überwiegenden Teil durch die V-V-Verschmutzung der Luft verursacht sind. Mag für u-u-unbedarfte Augen auch alles grünen und blühen, so ist der Wald doch krank, Francis. Er liegt bereits auf der I-I-Intensivstation, ohne daß man es gemerkt hätte. Der Mensch verwandelt jeden Ort, den er betritt, e-e-entweder in eine Wüste oder in eine Müllhalde. Alles, was er anfaßt, verdorrt in seinen Fingern, und alles, was er ansieht, verbrennt vor seinen A-A-Augen. Doch als leide er unter einer Bewußtseinsspaltung, ist er es wiederum, der sich so fa-fa-fanatisch um eine Wiedergutmachung bemüht. So ein Mensch ist Diana. Unterstützt durch aufwendige F-F-Filtertechniken, sandte Arche farblich unterschiedlich schattierte Aufnahmen der Baumbestände in den jeweiligen Erkrankungsphasen aus. Doch die Regierung strich dann abrupt die Gelder, das Projekt wurde aufgegeben und die Forschungsgruppe au-au-aufgelöst. Diana hat sich von der E-E-Enttäuschung nicht mehr erholt. Seitdem bewacht sie die verlassene Forschungsstation wie eine verbitterte M-M-Mutter das Grab ihres Kindes und wird von Tag zu Tag immer komischer im K-K-Kopf. Sie ist eine richtige Hexe g-g-geworden hier in der Einsamkeit. Neuerdings hat sie das Malen entdeckt, um i-i-ihre Nerven einigermaßen zu beruhigen. Das Resultat allerdings treibt selbst mir die Schamesröte ins G-G-Gesicht.«
»Eine traurige Geschichte, Ambrosius. Meine eigene jedoch reizt auch nicht gerade zum Totlachen, das kann ich dir versichern.«
»Sie ist aber bestimmt sehr
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