Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
interessant. Welche unglücklichen Umstände haben einen Ehrenmann wie dich in diese Wi-Wi-Wildnis verschlagen? Erzähle, mein bester Francis, e-e-erzähle.«
Also erzählte ich. Von Francesca mit den Scherenhänden, von dem Totschlaggewitter, von Kloaken-Atlantis und seinen Zombiebewohnern, vom Jäger mit der High-Tech-Kanone, von den Auto-Motor-Sport-Freunden und wie ich ihnen in letzter Sekunde von der Schippe springen konnte, von dem wilden Zwischenspiel namens Alraune, von dem Bauernhofmassaker und der Monsterpranke und schließlich und endlich von meinem Traum, in dem der Schwarze Ritter die Titelrolle gespielt hatte. Während er meinem Bericht mit konzentrierter Ergriffenheit verfolgte, lutschte und leckte Ambrosius die Resttinte von der Pfote und aus den Maulwinkeln. Es war unglaublich, am Ende verunzierte kein einziger Fleck den Knaben mehr.
»Die A-A-Abenteuer von Sindbad sind dagegen Urlaubsklamauk! Francis, du bist ein Held«, schmeichelte mir der Somali überflüssigerweise. »Doch in dem letzten Punkt liegst du a-a-absolut falsch, mein Freund. Den Sch-Sch-Schwarzen Ritter und seinen Rappen hast du nicht geträumt, sondern leibhaftig gesehen. Denn sie sind pure Wi-Wi-Wirklichkeit.«
»So?« Irgend etwas in mir widersetzte sich immer noch, die Existenz dieser beiden Bestien anzuerkennen. Es war, als jagte ich einem Popanz hinterher.
»D-D-Daran gibt es keinen Zweifel. Und außer mir haben es dir auch Safran, Niger und Alraune, die Wi-Wi-Wilde, bestätigt.«
»Seitdem ich auf der Farm des Todes des Anblicks der Monsterpranke teilhaftig werden durfte, gibt es zumindest einen Verdächtigen mehr.«
»Vielleicht hast du diese Pranke gar nicht gesehen, sondern sie dir in deinem E-E-Entsetzen nur eingebildet.«
»Mag sein. Aber sie schien wirklicher zu sein als der Schwarze Ritter in seiner ganzen imposanten Lebensgröße.«
»Das v-v-verstehe ich nicht.«
»Ich am allerwenigsten. Doch da gibt es ein paar Zufälligkeiten, die zusammengenommen wie des Zufalls cleverer Bruder daherkommen, und dieser heißt Täuschung. Ich möchte dir einmal drei merkwürdige Punkte aufzählen: Erstens erscheinen mir Hugo und Hund ausgerechnet in einem Zustand, in dem ich vor Schlaftrunkenheit mein eigenes Spiegelbild für Elvis hätte halten können. Zweitens haben sich die beiden, wie es sich für einen theatralischen Auftritt geziemt, hoch oben auf dem Felsen quasi auf einem Podest aufgebaut, so daß ich sie zwar von Ehrfurcht ergriffen sehe, aber mir gleichzeitig kein klares Bild verschaffen kann. Sie sind nur Schattenrisse, was den Phantomeffekt außerordentlich verstärkt. Drittens haben die beiden Desperados offenbar den lieben langen Tag nichts Gescheiteres zu tun, als von Bauernhof zu Bauernhof zu ziehen und ihre von Stiftung Warentest mit ›Sehr gut‹ prämierten Gebisse an unschuldigen Hälsen auszuprobieren. Aber sobald sie in tiefster Nacht ein hilfloses Fellbündel mitten im Dschungel erspähen, wo ihnen weder irgendwelche unliebsamen Zeugen noch die Tierschutzkavallerie auflauern könnten, entdecken sie plötzlich ihr Herz und drehen reumütig ab. Ein verdächtig rührendes Verhalten für Massenmörder, findest du nicht?«
Ambrosius sprang auf die Beine, fetzte mit den Vorderpfoten die unter ihm befindlichen Papiere beiseite, so daß ein unbeschriebenes Blatt zum Vorschein kam, und traktierte abermals das Tintenfaß. Die noch tropfende Kralle stieß er danach senkrecht in die Höhe, als habe ihn erneut ein Geistesblitz heimgesucht. Seine Bernsteinaugen glühten, und das Gesicht erhielt jenen leidenschaftlich verbissenen Ausdruck, der allein Eiferern mit einer messianischen Botschaft eigen ist - genauso aber auch den Verrückten.
»Logik!«, brüllte er, als hätte ich ihm irgendeine Unflätigkeit an den Kopf geschmissen. »Logik, das ist dein Me-Me-Metier, Francis. Deshalb muß für dich a-a-alles, was auf der Welt geschieht, lupenreine Rationalität besitzen. Doch so leid es mir t-t-tut, mein Lieber, die Welt schert sich einen Dreck um die Logik. Frag die Menschen, sie können dir am besten verraten, warum all ihre G-G-Grundsätze und Ideale gescheitert sind. Logik ist etwas für Logiker, Francis, die in ihren Elfenbeintürmen sitzen und die Mathematik des Lebens zu e-e-enträtseln versuchen. Erfahrungsgemäß vergeblich. Nein, nein, mein F-F-Freund, Chaos regiert die Welt und der Wahnsinn. Und der Schwarze Ri-Ri-Ritter und der Mörderhund sind Koryphäen des Wahnsinns. Glaube bloß nicht, daß wir hier
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