Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Grinsen dessen, der in seiner unendlichen Nachsicht auch das Gerede eines alten Deppen duldet. Auch Sissi schloß sich dieser Haltung an und setzte voller Häme ein Gesicht auf, als zollte sie dem Alter Respekt.
»Doch du wirst lachen, all das Erwähnte haben wir uns schon vor der Ankunft des Erleuchteten selber gedacht. Hat er auch ein paar neue Einfalle auf der Latte?«
»Da der gegenseitige Respekt zwischen uns eine lange Tradition in diesem Revier besitzt, widerstrebt mir die Vorstellung, daß jemand aus unseren Reihen den Frieden auf so brutale Weise aufs Spiel setzt«, nahm ich den Faden wieder auf. »Ob der Mörder nun aus unseren oder euren Reihen stammt, es klingt abwegig, daß er aus diesem Gebiet kommt. Irgendwie kontrolliert hier jeder jeden, und deshalb dürfte es einem Einheimischen verdammt schwerfallen, acht Lichter auszublasen, ohne daß er sich beim Nachbarn verdächtig macht. Mir scheint, wir haben es hier mit dem Einbruch des Fremden zu tun.«
Das gefiel ihnen! Schon die Andeutung des Fremden in unserem Revier war immer wieder für einen Solidaritätseffekt gut, auch wenn die Mitglieder dieser Solidargemeinschaft sich untereinander nicht fremder hätten sein können. Es machte uns alle zu einer verschworenen Gemeinde, die den vermeintlich heimeligen Kokon gegen die äußere Bedrohung verteidigen mußte. Ich sah es an ihren Gesichtern. Die Wut darin galt plötzlich nicht mehr dem unmittelbaren Gegenüber, sondern wurde unbestimmter, gerichtet auf noch schauerlichere Feindbilder, welche allein die Imagination zu bedrohlicher Größe aufzublähen vermag. Mir war es recht. Hatte ich doch die Spekulation mit dem Fremden nur in den Raum gestellt, weil mir nichts Gescheiteres einfiel. Schließlich stand ich erst am Anfang der Ermittlungen. Ich wollte Zeit gewinnen.
»Fremde?« sinnierte Sissi, und man merkte es ihr an, daß sie die Durchschlagskraft von »Wir gegen sie« gegen »Wir gegen das Fremde« abwägte. »Nun, das ist eine Möglichkeit! Ich habe nicht direkt gesagt, daß ihr hinter diesen Verbrechen steckt. Es war nur so eine Idee. Eine aus akuter Bedrohung geborene, die jeder nachvollziehen kann.«
Ach, so war das! Wir alle hingen gespannt an ihren Lippen, um zu hören, was als nächstes folgen würde.
»Und was glaubst du, um welche Fremden es sich handelt? Ich meine, wo kommen sie her? Schließlich leben wir hier nicht in einem Slum, wo jeder kommen und gehen kann, ohne daß er von den Ansässigen bemerkt würde.«
Tja, das war in der Tat eine gute Frage. Und es gab darauf aus dem Maule eines Bluffers nur die einzig richtige Antwort. Ich schämte mich schon, bevor ich es noch ausgesprochen hatte.
»Wenn mich nicht alles täuscht, ist die Belegschaft im Heim in den letzten Monaten enorm angewachsen. Natürlich liegt es mir fern, die dortigen Brüder und Schwestern quasi in Sippenhaft einem so bösen Verdacht auszuset...«
»Was für ein Heim?« schnitten mir Moses und Sissi wie aus einer Kehle das Wort ab. Ihr Erstaunen schien echt zu sein, und auch auf den Gesichtern der Zuschauer zeichneten sich dicke Fragezeichen ab.
»Na, das Heim am östlichen Ende des Viertels, in das unsereins kommt, wenn es keinen Besitzer mehr hat«, sprach der Müll leise aus seinem Dösezustand.
Der Müll? Genau, der halblebendige Müll neben Kunz, der während der Dauer unserer Streitereien eigentlich längst seinen letzten Atemzug hätte tun müssen, meldete sich unerwartet zu Wort. Er hob bedächtig den Kopf, und ich studierte ihn in seinem ganzen Elend. Er war ein stark vergreister Abkömmling jener Rasse, die auf der ganzen Welt gleichrangig neben VW und Mercedes mit Deutschland und dem Deutschtum assoziiert wird. Wertarbeit und Exportschlager in einem. Das Hüten von Schafen soll von alters her seine naturgemäße Aufgabe gewesen sein, doch wissen Eingeweihte, daß es sich bei ihm um eine sehr junge Rasse handelt. Mit seinen schafhütenden Vorfahren hat er nämlich so viel gemein wie der Germane, der Cäsar in Angst und Schrecken versetzte, mit Wolfgang Joop. Der ursprüngliche Schäferkläffer war noch fast quadratisch gewesen, mit gerade verlaufender Rückenlinie, so wie wir es auch vom Wolf kennen. Der moderne Schäferkläffer hat dagegen von den Kläfferdesignern eine steil nach hinten abfallende Rückenlinie bekommen. Die Hintergliedmaßen sind stark angewinkelt. Das alles gibt dem Vieh einen merkwürdig schleichenden Gang.
Was ich vor mir sah, schien weder für den Herdenhütedienst noch zum
Weitere Kostenlose Bücher