Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
Rarität in der Gegend. Um so verwunderlicher, daß kein Immobilienfritze sich das Juwel bisher unter den Nagel gerissen hatte.
    Freilich handelte es sich auch um eine Ruine. Man brauchte kein Baugutachter zu sein, um das beurteilen zu können. Schon als ich mich auf das Haus zu bewegte, fielen mir die gewaltigen Risse in den Außenmauern auf, die wie schwarze, gefrorene Blitze die Fassade zu zerreißen drohten. Zwar waren die Fenster in der Tat eine wahre Pracht, doch gleichzeitig gab es kein einziges, dessen Scheiben nicht eingeschlagen waren. Ganz zu schweigen davon, daß sich die meisten Läden halb aus den Angeln gelöst hatten, schief herabhingen und etliche ihrer Holzlamellen fehlten. Wilder Efeu hatte bereits beachtliche Flächen annektiert, und es schien, als wolle er sich bald den gesamten Bau einverleiben. »Der Untergang des Hauses Usher«: Diese meisterhafte Geschichte meines guten alten Meisters E. A. Poe schoß mir durch den Kopf, als ich mich mit flauem Gefühl im Magen einem Fenster mit abgefallenen Flügeln näherte, das mich wie ein ausgestochenes Auge blind anstarrte. Denn in der Tat schien das ganze Gebäude wie in Trauerflor gehüllt, der das längst vergangene Glück und die Schönheit darin zwar nicht zu verleugnen vermochte, aber sein Bestes tat, es nachträglich in ein morbides Licht zu tauchen. Ich hechtete durch das gähnende Fensterloch und landete in einem stockfinsteren Raum mit mindestens vier Meter hoher Decke. Das erste, was mir darin ins Auge fiel und mich im Lauf der weiteren Expedition begleiten sollte, war die dicke Staubschicht, welche über allem lag. Staub schien hier eine Art Konservierungsmittel zu sein, das jeden Zentimeter und jeden Gegenstand lückenlos überzog. Konservierung deshalb, weil es hier wirklich so aussah, als habe der Bewohner sein Heim auf Nimmerwiedersehen und allein mit einer Zahnbürste im Gepäck verlassen. Sämtliches Interieur, sehr antik, sehr kostbar und sehr »schon immer im Familienbesitz«, wirkte wie gerade erst benutzt und schon im nächsten Augenblick wieder mumifiziert. Ein Antiquitätenliebhaber hätte für diesen Schatz nicht nur einen Einbruch riskiert, sondern mit Freuden einen Mord. Wer immer hier auch gewohnt hatte, er schien sich überstürzt und ohne Gram über den Verlust seiner Reichtümer buchstäblich aus dem Staub gemacht zu haben.
    Auf leisen und zitternden Pfoten wanderte ich weiter. Finstere Korridore und Vestibüle kreuzten meinen Weg. Die kostbaren Teppiche, Läufer und schweren Brokatvorhänge, die den Räumlichkeiten einen Hauch von englischer Königswürde verliehen, schienen von Motten und Ratten angenagt. Sie waren durchlöchert und völlig zerfranst. Und hätte man den Teppichklopfer zur Anwendung gebracht, wäre man bei der Arbeit mit absoluter Sicherheit erstickt. Alles roch nach Moder und strahlte die Anwesenheit von Tod aus, auch den Tod von Hoffnungen und Sehnsüchten.
    Von der Anwesenheit eines Schreckgespenstes allerdings war bislang nichts zu spüren, auch wenn ich es in jedem Winkel, hinter jeder Tür vermutete und vor Furcht derart schlotterte, daß so manch ein Parkinsonpatient Mühe gehabt hätte mitzuhalten. Was trieb ich eigentlich hier? Und vor allem: Was würde ich tun, wenn das Monster urplötzlich vor mir stünde? Ihm eine Standpauke halten?
    Mit ihm kämpfen und am Ende eine Kralle in seine wunde Stelle stoßen wie Siegfried in die des Drachen? Hatte es überhaupt eine wunde Stelle? Realistisch betrachtet war meine Vorgehensweise einfach lächerlich. Die Situation, in der ich mich befand, jedoch mitnichten. Sollte ich je heil aus diesem Schlamassel herauskommen, so schwor ich mir, würde ich mich unters Messer begeben und jene Hirnregion, die für diese verdammte unbezähmbare Neugier zuständig ist, komplett entfernen lassen.
    Eine Veränderung bahnte sich plötzlich an. Zunächst noch dezent. Lose Blätter, zum Teil handschriftlich beschrieben, zum Teil in Schreibmaschinenschrift, lagen auf dem Fußboden verstreut und wiesen mir wie Brotkrümel im Märchen den Weg ins Zentrum des Hauses. Sie waren vergilbt und sowohl die bläßliche Handschrift als auch die mal etwas zu hoch, mal etwas zu tief geratenen Typenanschläge verrieten, daß diese Seiten schon einige Jährchen auf dem Buckel hatten. Während ich der papiernen Fährte folgte, fiel mir auf, daß man fast alle Blätter nachträglich bekritzelt hatte. Genaugenommen handelte es sich hierbei um Schmierereien in kindlicher Manier und zumeist quer

Weitere Kostenlose Bücher