Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
ab. Ja nicht einmal von demjenigen, den ich dabei einzuspannen gedachte. Sondern, wie sollte es bei einem Blender wie mir anders sein, von der wankelmütigen Göttin Fortuna.
Gerade als ich mich vom Computer abwandte, um schleunigst zur Tat zu schreiten, wurde ich mit einer neuen Überraschung konfrontiert. Das heißt, so neu und überraschend war das Ganze auch wieder nicht, denn ich erinnerte mich, das gleiche kürzlich schon einmal durchlebt zu haben. Archies Schlaf war durch meine Tipperei offenkundig gestört worden, denn der alte Immerjung saß wieder aufrecht im Bett und starrte mich mit glasigem Blick so an, als sei ich ein Video für Medizinstudenten über Wahrnehmungsstörungen als Folge von Alkoholmißbrauch. Er hatte mir bei der Computerkonferenz sicherlich eine ganze Weile über die Schulter geschaut, und ich fragte mich, ob er sich inzwischen fragte, ob das Internet nicht vielleicht speziell für meinesgleichen erfunden worden sei, mit dem kleinen Manko, daß die ganze Technik nun einmal von Menschen bereitgehalten werden mußte. Vermutlich aber dachte er, daß er von etwas vollkommen Verrücktem träume, und zwar davon, was er mittags gesehen hatte. Das sollte ihm eine Lehre sein! Warum soff er auch soviel? Und wenn er schon soviel soff, weshalb soff er dann gefälligst nicht noch mehr, damit ihm solcherlei Schlafunterbrechungen erspart blieben?
Ich verabschiedete mich von dem Traumatisierten mit dem offenstehenden Mund mit einem Hechtsprung vom Tisch. Und dann schnell fort, fort, fort, bis ich den Palast des Wirrwarrs hinter mir gelassen hatte und im Treppenhaus stand. Dort legte ich den Geräuschlosgang ein und tapste so sachte und still die Treppe herunter, als wandle ich über vermintes Gelände. Unten ein läppischer Hüpfer zur Türklinke, welche durch mein Gewicht nachgab, und Gustavs Reich stand mir offen. Ich eilte durch die Dunkelheit direkt ins Schlafzimmer, hoffend und betend, daß mein auserwählter Komplize sich auch tatsächlich dort befände.
Und gepriesen sei der Herr, er war es! Er lag auf Gustavs Fesselballonbauch, zu einem vollendeten Kringel gekrümmt, mit einem Ritzer diagonal über das ganze Gesicht, den ich ihm noch vor ein paar Stunden zugefügt hatte. Er schlief so tief, daß nicht einmal des Dicken Schnarchterror ihn zu wecken vermochte. Jetzt war ich plötzlich heilfroh, daß Junior sich nicht an mein Verbot, mir je wieder unter die Augen zu kommen, gehalten hatte und weiterhin hier logierte. Wo sollte er auch sonst hin? Was wieder einmal meine seit langem gehegte Theorie bewies, daß 87,5 Prozent der jugendlichen Unbeschwertheit daher rührt, daß die Jugend keine Miete bezahlen muß!
Es brach mir das Herz, ihn zu wecken, aber es mußte leider sein. Behutsam schubste ich ihn mit der Nase an. Das getigerte Fellbündel, das im sanften Sternenglanz aschgrau schimmerte, reckte und streckte sich schlaftrunken. Dann bemerkte Junior die Gestalt neben sich, und als er erkannte, wer auf ihn herabsah, überraschte er mich mit einer Aussage, die mir beinahe Tränen der Rührung in die Augen getrieben hätte.
»Paps, ich glaube nicht, was sie über dich erzählen. Sag, daß du sie in Wahrheit alle verarscht hast.«
Das hatte ich gebraucht! Jemanden, der zu mir hielt, der in mir nicht den Übeltäter sah, zu dem ich mich selbst hatte erklären müssen. Zudem war es mein eigener Sohn, der mir dieses Vertrauen schenkte. Gab es einen stärkeren Trost? Abgedroschen, aber wahr: Blut ist dicker als Wasser. Natürlich tat es mir nun leid, daß ich ihn und seine Kumpels nachmittags so grob rangenommen hatte, auch wenn sie es, weiß Gott, verdient hatten. Aber wenn die Jugend von den Alten überhaupt noch etwas wollte, dann doch wohl ein paar nützliche Ratschläge und keine Schläge. Und Liebe, das stärkste Band zwischen den Generationen.
»Stimmt, Junior«, erwiderte ich und lächelte. »Ich habe sie alle, wie du dich auszudrücken beliebst, ein bißchen verarscht. Für eine gute Sache, die dir auseinander zu legen viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Zeit, die ich nicht habe. Ich erkläre es dir später. Vorerst brauche ich aber dringend deine Hilfe. Und da trifft es sich großartig, daß wir uns wie ein Ei dem anderen gleichen ...«
Daß diese Hilfe, die ich von Junior erbat, für ihn nicht ungefährlich sein würde, wußte ich sehr wohl. Doch erstens hielt ich den Grad des Risikos für vertretbar und zweitens hatte ich großes Vertrauen in das Riechvermögen der Viecher, die den
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