Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Denunzianten unter heftigen Paranoia-Attacken über die Mauersimse schlich und mich meinem Ziel nur langsam näherte, sah ich am fernen Horizont eine rabenschwarze Wolkenbank heraufziehen. Noch glühten die Sterne über mir hell und klar, und noch strahlte der Mond mit solcher Intensität, daß er einem kleinen Bruder der Sonne ähnelte. Doch bald würde diese unheilschwangere Finsternis wie ein riesiger Vorhang den erhebenden Anblick in tiefstes Schwarz hüllen - kein Zweifel, ein grandioses Maigewitter war im Anmarsch, und ich mußte mich ziemlich beeilen, wenn ich an dem ominösen Ort noch eine Besichtigung vornehmen wollte.
Trotz der Gefahr, Aufmerksamkeit zu erregen, legte ich einen Zahn zu und erreichte in Begleitung panischer Anwandlungen nach einer Weile den zu einem Urwald gediehenen Garten. Ich schlüpfte durch das Loch an der Seitenmauer und kämpfte mich durch das Gestrüpp Richtung Andromedas Verschlag vor. Was nachmittags noch den melancholischen Charme der Agonie ausgestrahlt hatte, wirkte nun in der Dunkelheit so einladend wie ein verwunschener Friedhof, dessen Bewohner sich zum allnächtlichen Tanz versammelten. Die vielen von Schlingpflanzen gefesselten Putten, Terrakottazapfen, Balustraden, der geköpfte Springbrunnen und das von welken Blättern bedeckte Bassin, sie alle schienen mir jetzt zuzuflüstern, daß ich hier schleunigst verschwinden sollte, wenn ich nicht ihr Schicksal teilen wollte. Hinter jedem Strauch ragte ein unheimlicher Schatten hervor, dessen Besitzer man sich besser nicht vorstellen mochte. Und das Rascheln der Blätter, das Knacken von Zweigen, das Huschen eines Nagers, das leise Krabbeln eines Insekts, ja jeder noch so harmlose Laut verwandelte sich in meiner von purem Horror vergifteten Phantasie zum Begleitgeräusch eines Überraschungsangriffs des Monsters.
Aber war diese Reaktion wirklich so übertrieben? Immerhin hatte mich Neptun - übrigens auch nicht gerade der vertrauenswürdigste Zeitgenosse - direkt in die Höhle des Löwen geschickt. Wenn man den ganzen Schwachsinn mit Monstern und Geistern für bare Münze nahm, hatte ich, weiß Gott, allen Grund, mich zu fürchten. Man brauchte keinen Lehrgang für Schamanimus absolviert zu haben, um zu ahnen, daß mit solcherlei Wesen nicht gut Kirschenessen war. Ich war hin- und hergerissen zwischen den Einflüsterungen der puren Ratio, die hinter all diesen Zufällen, geheimnisvollen Botschaften und okkulten Legenden die eiskalte planende Hand des Mörders vermutete, und dem Glauben an eine wirklich übernatürliche Kraft.
Als ich zum Verschlag gelangte, fand ich ihn leer vor. Wo vor ein paar Stunden Andromeda in ihrer erbärmlich gekrümmten Sitzposition über das Grauen visioniert hatte, befand sich nur noch ein zerfetztes, von Schmutzflecken übersätes Kissen. Der löchrigen Kiste haftete immer noch der Gestank von Krankheit und Fäulnis an, und trotz meiner bangen Gemütsverfassung wurde ich aufs neue von einer Woge überwältigenden Mitleids für diese arme Kreatur heimgesucht. Die Frage, die mich dabei beschäftigte, hieß weniger »Wie kann man nur so leben?« als vielmehr »Wie kann man nur so schäbig sterben?«.
Das Objekt meines Mitleids schien sich indes in Luft aufgelöst zu haben, und auch eine Erkundung des Dickichts im Umkreis des Verschlags blieb ohne Ergebnis. Natürlich war ich intelligent genug, um mir während dieser Zeit zumindest in den verborgensten Kammern meines Oberstübchens einzugestehen, weshalb ich so rastlos nach Andromeda fahndete, wo sie mir doch in keiner Weise würde weiterhelfen können. Denn hätte sie irgend etwas Sensationelles über dieses Anwesen zu erzählen gewußt, hätte sie es bestimmt schon heute Nachmittag getan. Nein, der wahre Grund, weshalb ich mich mit dem plötzlichen Verschwinden der siechen Pudeldame so übertrieben lange beschäftigte, lag auf der Hand: Ich traute mich nicht in das Haus, welches von diesem gespenstigen Garten umringt wurde wie Satan von den Heerscharen seiner Anhänger.
Es führte jedoch auf Dauer kein Weg daran vorbei, also fügte ich mich in das Unvermeidliche und näherte mich im Technobeat klopfenden Herzens dem vermeintlichen Ort allen Übels.
Die im Tageslicht purpur leuchtende Rückfassade des Palazzos lag nun in völliger Finsternis. Kastenartig, mit streng angeordneten Fenstern, die bis zum Fußboden reichten und Jalousieläden aufwiesen, mit geräumigen Balkons und der mediterranen Schlichtheit in jedem Detail war das Gebäude eine
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