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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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mein Mandant ist noch sehr jung«, erwiderte der greise Anwalt und schien trotz seines abgewirtschafteten Zustands jetzt so richtig in Fahrt zu kommen. »Als ihm die Sache auffiel, da ging das junge wilde Blut mit ihm durch, und er erzählte es den anderen aus jugendlichem Imponiergehabe heraus. Er wollte sich wichtigmachen. Nun aber, da er eingesehen hat, was für einen Schaden er dadurch der Gemeinschaft zugefügt hat, bereut er seine Verhaltensweise zutiefst und ist untröstlich. Deshalb schwört er bei der Kralle des Propheten, dass er sich künftig nie mehr zu solch einem Leichtsinn hinreißen lassen wird. Nicht nur das, er hat das Wort rückwärts aus seinem Sprachschatz restlos gestrichen. Er bittet Sie und die Gemeinschaft um Gnade.« Der weiße Delinquent pflichtete ihm bei, indem er wie mechanisch pausenlos mit dem Kopf nickte.
    Der dicke Schwarze beriet sich in flüsterndem Ton mit seinen Mit-Dicken, wobei sie alle ihre angeschwollenen Köpfe zusammensteckten. Ihre knitterigen Schnurrhaare gerieten dabei derart aneinander, dass das Ganze wie ein hoffnungsloser Kabelsalat aussah. Dann waren sie wohl zu einem Urteil gelangt. Mit gestrengtem Blick wandten sie sich wieder der Menge in der Halle zu, die prompt den Atem anhielt.
    »Deine Argumentation erscheint dem Gremium doch mehr als fadenscheinig, Anwalt«, sagte der Ober-Ankläger. »Wir sind der Meinung, dass es sich bei deinem Mandanten zwar in der Tat um ein junges und unbedachtes Kerlchen handelt, aber auch um ein recht labiles. Kurz, er weiß nicht, was er tut und sagt, und wird es auch in Zukunft, Pardon, in
der Vergangenheit nicht wissen. Deswegen lautet das Urteil: Ab in den Morf mit ihm!«
    »Ab in den Morf! Ab in den Morf! Ab in den Morf! …«, skandierte das niedere Volk daraufhin wie aus einem Maul und verfiel fast in Hysterie. Morf? Was war das denn? Im nächsten Moment gab ich mir schon selbst die Antwort: Frag nicht so blöd, sagte ich zu mir, und betrachte lieber das Loch im Boden. Na, klingelt’s? Allerdings wusste ich auch nicht, weshalb dieses Höllending ausgerechnet Morf hieß. Gleichzeitig mit der Urteilsverkündung verstärkten sich die Aktivitäten der »Mechaniker« auf den Laufgittern. Hatten sie sich zuvor schon wie Paviane auf Speed benommen, kamen sie mir jetzt auf einmal wie Paviane auf Superspeed vor. Diesmal bedienten sie bei jedem Sprung zu den Steuerungskonsolen mit ihren Pfoten mehrere Knöpfe gleichzeitig, legten in Serie die Schalter um und knackten ihren eigenen Laufrekord zwischen den einzelnen Kästen. Es war wirklich was los da oben. Die Folge dieser Dynamik zeigte sich umgehend. Noch mehr Dunst stieg aus dem Morf auf, und es wurde noch heller darin. Jedenfalls an dem oberen Abschnitt, in den ich von meiner Position aus gerade noch so hineinsehen konnte.
    »Bitte nicht!«, flehte der weiße Orientale, während er von mehreren Schwarzmännern zu dem feurigen Schlund gedrängt und geschubst wurde. »Ich tue es auch nie mehr wieder.« Vergebens. Die Wächter bildeten eine ihn unerbittlich vorwärtstreibende Zange um den armen Kerl, sodass er weder Reißaus nehmen noch sonst wie seiner verhängnisvollen Bestimmung entrinnen konnte. »Ich bin doch
noch so jung …« Er begann bitterlich zu weinen. »Ich will hierbleiben, hier ist meine Heimat …«
    Das kapierte ich jetzt aber überhaupt nicht. Ich meine, das Letzte, um das ich mich im Augenblick meines Todes sorgen würde, wäre wohl, ob ich meine geliebte Heimat verlassen müsste oder nicht. Schließlich verließ man ja im Fall des eigenen Ablebens bekanntlich nicht nur die Heimat, sondern, nun ja, auch alles andere. Der Bedauernswerte tat gerade so, als müsse er bloß zwangsweise umziehen. Der Ausdruck »kafkaesk« war für die hier stattfindenden Absurditäten noch weit untertrieben.
    Es kam, wie es kommen musste. Der schwarze Trupp stieß den bis zur letzten Sekunde Rotz und Wasser heulenden und um Erbarmen kreischenden Kleinen bis an den Rand des Morfs und schmiss ihn dann, ohne mit der Wimper zu zucken, in den Abgrund. Kurz schoss daraus ein flackernder und schier augenblendender Lichtstrahl hervor, der das glühende Rot verdrängte und ein atompilzartiges Gleißen über allen Köpfen erzeugte. Ich und die anderen in der Halle, welche urplötzlich andächtig und stumm geworden waren, vernahmen den herzzerreißenden Schrei des Hinabstürzenden. Eine unerträgliche Verzweiflung klang darin mit und das Echo eines heraufdämmernden Horrors. Immer dünner und

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