Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
doch keine so schlechte Idee gewesen, eben bei Junior und Sancta nicht schon wieder die Hilfe-die-Zeit-läuft-rückwärts! -Leier anzuschmeißen. Langsam wurde es langweilig, und es brachte rein gar nichts.
Langweilig? Vielleicht für mich, weil ich mich damit notgedrungen abgefunden hatte. Doch in Wahrheit war die ganze Sache von solch epochaler Brisanz, dass dagegen meine kleine Existenz eine sehr untergeordnete Rolle spielte. Natürlich unter dem Vorbehalt, dass ich a) nicht verrückt, b) nicht dement, c) nicht gegenwärtig in einem äußerst bescheuerten Traum versunken und d) am Ende nicht längst tot war. Gesetzt den Fall, diese vier Punkte träfen nicht zu – und zumindest sah es im Moment nicht danach aus –, so musste ich schleunigst etwas unternehmen. Aber was eigentlich? Ich meine, ich war schon ein toller Hecht, aber die Zeit in die amtliche Richtung herumreißen, das überstieg selbst meine Kräfte. Doch wenn ich das schon nicht schaffte, dann konnte ich wenigstens ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.
Ich fand auch sogleich einen Ansatzpunkt, mit dem ich sofort anfangen konnte. Der Ansatzpunkt hieß Max, mein toller Anwalt bei der kafkaesken Gerichtsverhandlung der Bruderschaft der Schwarzen . Er hatte mir außer seinem Namen nebenbei ein weiteres privates Detail verraten: »… Außerdem ist mein Dosenöffner Physiker und beschäftigt sich schon seit einer kleinen Ewigkeit mit dem Phänomen … Sie haben mich dazu gezwungen, weil ich eh schon in die Sache eingeweiht bin, ohne etwas beweisen zu können, und darüber hinaus die Materie und Problematik recht gut kenne …« Genau das hatte Max in der Hitze
des Gefechts von sich gegeben. Das heißt, er würde das erst in der Zukunft sagen, denn da die Zeit unterdessen weiter rückwärtsgelaufen war, hatte ich Max nie kennengelernt, und ebenso hatte die Gerichtsverhandlung nie stattgefunden.
Und das war meine große Chance! Ich würde diesen linkischen Max jetzt ausfindig machen und ihn einer Befragung über die näheren Umstände der verflixten Angelegenheit unterziehen, wenn es sein musste auch einem ziemlich rabiaten Verhör, damit er die Wahrheit ausspuckte. Denn er besaß nicht nur durch seinen Physiker-Dosenöffner Zugang zum Geheimnis der verdrehten Zeit, sondern offensichtlich auch Zugang zum erlauchten Kreis. Natürlich würde er ziemlich dumm aus der Wäsche schauen, wenn ich plötzlich bei ihm hereinplatzte, da er vermutlich bis dato nicht einmal von meiner Existenz wusste. Nach den Regeln der pervertierten Chronologie mussten ja seine Erinnerungen an das Geschehen in der Zukunft längst schon wieder gelöscht sein. Die Frage hieß nur, wie, um alles in der Welt, sollte ich Max ausfindig machen?
Da halfen mir die gewissen Kniffe und Tricks, die sich bei mir bereits früher in ähnlich gelagerten Fällen bewährt hatten. Der Erfahrungsschatz des Alters war wenigstens zu etwas nutze. Zunächst einmal stand fest, dass der Kerl irgendwo hier in der Nähe wohnen musste. Denn da unsereiner nicht schnell mal in ein Flugzeug springen konnte, um Tausende von Meilen zurückzulegen, sagte schon der gesunde Tierverstand, dass Max wohl oder übel seine vier Pfoten hatte bemühen müssen, um in das stillgelegte Fabrikgelände zu gelangen. So wie ich aber die Natur der Pfote
kannte, legte sie nur ungern weite Strecken zurück beziehungsweise war sie nicht imstande dazu.
Ergo: Dieser Physiker, bestimmt ein namhafter, musste entweder in unserem Viertel oder in einem der Nachbarviertel wohnen. Ich nahm an, dass der Kreis von namhaften Physikern, die sich mit Zeitphänomenen beschäftigten, in meinem Umkreis äußerst beschränkt war. Auch die Universität, in der er womöglich lehrte, oder das Labor, in dem er vielleicht forschte, mussten in der Nähe sein. Es sollte also mit dem Teufel zugehen, wenn ich die Adresse des Kerls nicht ganz fix über das Internet ausmachen konnte und in der Folge auch das Heim des Teufelsadvokaten Max.
Diesmal wartete ich nicht bis zum Abend beziehungsweise bis Archie sich zu später Stunde wie gewöhnlich hatte volllaufen lassen, sodass er mich bei der Recherchearbeit nicht erwischen konnte. Ich hetzte durch die für uns vorgesehene Klappe an der Wohnungstür gleich in den Hausflur und von dort über die Holztreppe nach oben. Es war mir vollkommen gleichgültig, ob der Hausherr unmittelbar neben mir stehen würde, während meine Pfoten auf die Computertastatur hämmerten und er bei diesem Anblick in Ohnmacht fiel.
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