Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
nicht den Herrscher aller Herrscher in Form einer simplifizierten Zeichnung abgebildet hatte, sondern einen blöden Schwarzkopf von uns. Ich hatte den Verdacht, dass die Antwort darauf ebenfalls
in diesem aufgehübschten Depot für Mumien zu finden war.
»Okay«, sagte ich zu Sybilla, nachdem ich den Gedanken einstweilen beiseitegeschoben hatte. »Jetzt kannst du endlich mal zeigen, was du in deinem U-Bahn-Gedränge-Training gelernt hast. So wie ich die Lage einschätze, gibt es für uns keine andere Möglichkeit, ins Gebäude zu gelangen, als uns zwischen diesem Beinlabyrinth bis nach vorne zu schmuggeln.«
»Und dann?« Sie schaute mich mit ihrem ausgemergelten Engelsgesicht völlig perplex an.
»Und dann sehen wir weiter.«
»Aber wenn wir uns dabei verlieren?«
»Kennst du diese App fürs iPhone, mit dem du dein Handy wiederfinden kannst, wenn du es verloren hast?«
»Ähm, nein. Brauch ich denn ein Eifon und eine Ap?«
»Nein. Wir haben etwas viel Besseres, wenn wir uns verloren haben und wiederfinden wollen.«
»Was denn?«
»Miauen!«
Wir flitzten los und begaben uns in den dichten Wald menschlicher Beine. Diese drängten in Minischritten nach vorne, waren also ständig in Bewegung, sodass unser Lauf aus einer vertrackten Kombination aus ständigem Ausweichen, Hakenschlagen und Drüberhüpfen über frisch gestriegelte Schuhe bestand. Das Ganze besaß etwas von einem Kaleidoskop, welches nur abgeschnittene menschliche Glieder zeigt. Um Sybilla kümmerte ich mich nicht weiter, da ich großes Vertrauen in ihr in der U-Bahn eingeübtes Improvisationsgeschick hatte.
Irgendwann schien die atemlose Hatz ausgestanden, und ich sah zwischen den vielen aggressiv vorwärtsstampfenden Füßen und Beinen endlich die hell erleuchtete Säulenhalle in unmittelbarer Nähe. Und zu meiner Linken Sybilla, die wie ich der Menschenmenge mit heiler Haut entkommen war und nun die Marmortreppe zum Haupteingang hochspurtete. Natürlich waren wir schneller oben als die Zweibeiner, doch wartete dort schon die nächste Barriere auf uns, in Gestalt von vier Sicherheitssheriffs in martialischer schwarzer Uniform. Sie hatten sich vor dem von turmhohen Sarkophag-Dekos flankierten Museumsportal aufgebaut und überprüften mit grimmiger Miene die Einladungskarten der Hereinströmenden.
Nun, weder besaßen wir Einladungskarten noch hätten diese Kerle uns hereingelassen, falls wir welche gehabt hätten, selbst wenn darauf die Unterschrift des Außenministers gestanden hätte. Was tun?, hätte ich mich in dieser Situation fragen können. Doch das tat ich nicht, sondern warf fix einen Blick zu Sybilla hinüber. Sie verstand mich auf Anhieb, und ehe die bulligen Sicherheitsleute uns überhaupt so richtig wahrnehmen und darauf reagieren konnten, schossen wir schon an ihren perplexen Gesichtern und zwischen ihren Beinen hindurch ins Gebäude. Gut gemacht, Mademoiselle S.!
Drinnen empfing uns eine riesige kreisförmige Aula, die leicht abgedunkelt war. Im Dämmerlicht konnte man das Schauspiel auf dem Runddach genießen, auf das wie bei einem Planetarium Projektoren aus verschiedenen Winkeln sich drehende und überblendende Bilder aus der ägyptischen Mythologie warfen. Darstellungen der Gemahlinnen der
Pharaonen in ihrem königlichen Gewand mit Geierhaube auf dem Kopf wechselten sich ab mit den Kolossalstatuen vom Tempel von Abu Simbel und mit dem berühmten Horusauge auf Papyrus und so weiter und so fort. Überall standen hell ausgestrahlte Glaskästen, in denen Kostbarkeiten wie kunstvolle Figürchen oder handbemalte Trinkgefäße prunkten. Es herrschte eine Party-Atmosphäre, und jeder Gast bediente sich generös an der piekfeinen Champagnerbar mit Kellnern im Frack. Niemand kümmerte sich um uns oder würdigte uns auch nur eines Blickes. Gut so, denn uns war weiß Gott nicht nach Champagner zumute.
»Wir müssen schnellstens zu der Räumlichkeit, in der die Festreden gehalten werden«, sagte ich zu Sybilla. In dem dämmerigen Licht sah sie in ihrem entzückenden cremeweißen Balinesen-Fellkleid selbst wie eine Partyschönheit aus. »Gustav wird dort bestimmt einen Vortrag halten, der vielleicht Licht ins Dunkel bringt.«
»Bestimmt geht es dort lang«, erwiderte sie und deutete mit ihrer hübschen Schnute zu den geschwungenen Treppenaufgängen zu beiden Seiten der Aula. Gute Idee! Sofort liefen wir die Treppe rechter Pfote hoch und gelangten zu einer Empore, von der wir wiederum durch weit geöffnete Flügeltüren auf eine Galerie
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