Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
überhaupt nicht. Sie war lediglich eine Briefkastenfirma der Regierung, welche auffällige Wissenschaftler, die ebenfalls hinter das Geheimnis gekommen waren, aufspürte, sie mit akademischen Lorbeeren und Stipendien anlockte und dann beim Abliefern der Forschungsresultate still und leise aus dem Verkehr zog. Es ging gar nicht darum, Licht ins Dunkel zu bringen, sondern im Gegenteil das Licht so schnell wie möglich auszublasen, bevor jemand (die Bevölkerung?) die Sache mit der rückwärtslaufenden Zeit in aller Deutlichkeit durchschaute.
Aber warum? Wieso lag der Regierung so viel daran, dass dafür sogar Morde im Staatsauftrag in Kauf genommen wurden? Einen Teil der Antwort verriet sicherlich der Umstand, dass das Außenministerium in die Angelegenheit verwickelt war. Nicht das Innenministerium, nicht der Geheimdienst und nicht einmal das Ministerium für Wissenschaft und Forschung, was nahegelegen hätte. Es hatte also etwas mit »Außen« zu tun. Mit dem heutigen Ägypten? Wohl kaum. Die Leute dort hatten gegenwärtig andere Probleme. Mit irgendeinem anderen Land, welches in der Zeitforschung fortgeschrittener war als das hiesige? Doch dann erwies man sich ja einen Bärendienst, wenn man die eigenen wissenschaftlichen Koryphäen auf dem Gebiet dezimierte. Oder wollte man unbedingt vermeiden, dass das Ausland …
Ich erhielt leider keine Gelegenheit mehr, die Gedanken weiterzuspinnen, da plötzlich Bewegung in den Kellerraum kam.
Der Außenminister und sein Tross stürmten zu der Tür, hinter deren Pfosten wir uns verkrochen hatten. Die Festrede des Starpolitikers wartete. Ich gab Sybilla mit den Augen ein Zeichen, sich noch enger an die Wand zu pressen und unsichtbar zu machen, so wie ich es ihr vorführte. Der Trupp marschierte an uns vorbei, ohne etwas von unserer Anwesenheit mitzubekommen. Dann waren alle weg, bis auf einen: den Killer. Er stand mit dem Rücken zu uns im Neonlicht und rührte sich nicht. Seine Glatze schimmerte matt unter der bleichen Helligkeit, die Hand, die die Pistole hielt, schwang nur minimal, und ich registrierte sogar, wie die Muskeln in seinem Nacken leicht zuckten. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken.
Dann jedoch verließ er unvermittelt den Kellerraum durch eine links gelegene Seitentür. Jetzt, wo wir so weit gekommen waren, verspürte ich nicht die geringste Lust, aufzustecken und es für heute genug sein zu lassen. O nein, jetzt erst recht!, befahl mir meine innere Stimme. Und weiter machte sie mich drauf aufmerksam, dass es vergebliche Liebesmühe wäre, dem Außenminister zu folgen. Er würde auf der Bühne seine übliche Politshow abziehen, ohne über die Hintergründe auch nur ein Wort zu verlieren. Da war es vielversprechender, diesem verbeamteten Mörder zu folgen. Ich hatte so das dumpfe Gefühl, dass sein Ziel mit dem unsrigen übereinstimmen könnte.
»Wir folgen dem Kerl«, sagte ich leise zu Sybilla. Sie schaute mich etwa so an, als hätte ich ihr gesagt: Komm, lass uns von der höchsten Klippe in den Abgrund springen.
»Entschuldige, Francis …« Sie sprach vor Angst so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. Nicht nur das, sie sah auch aus wie die personifizierte Angst. »Aber dieser Kerl hat eben zwei Menschen erschossen. Glaubst du wirklich, er ist ein solcher Tierfreund, dass er absichtlich daneben ballert, wenn er uns in seiner Nähe entdeckt?«
Ich hörte erst gar nicht auf sie, sondern sprintete los. Ehrlich gesagt fehlten mir auch die Argumente, weshalb ich eine Unbeteiligte, noch dazu eine Unbeteiligte, die in einer miesen körperlichen Verfassung war, in große Gefahr zu stürzen gedachte. Sicherlich hatte es etwas damit zu tun, dass ich innerlich selbst vor Angst schlotterte und mir von einem Beistand etwas Courage borgen wollte. Aber war das fair? Nein, es war höchst unfair. So überwand ich meine Furcht und lief einfach los, durch die Seitentür hinaus aus
dem Kellerraum. Wenn Sybilla mir folgen wollte, sollte sie mir folgen, wenn nicht, dann eben nicht.
Erneut befand ich mich in einem von Rohren durchzogenen Irrgang, der diesmal im Zickzack verlief. Ich hielt mich circa zehn Meter hinter dem Killer, damit er mich nicht an seinen Fersen registrierte. Bald jedoch verspürte ich einen warmen Luftzug, der umso mehr an Intensität gewann, je näher es offenkundig ins Freie ging. Als ich schließlich um die letzte Ecke bog, war von dem Glatzkopf-Killer nichts mehr zu sehen, dafür erblickte ich ein großes, offen stehendes Tor,
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