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Felidae Metamorphosis (German Edition)

Felidae Metamorphosis (German Edition)

Titel: Felidae Metamorphosis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kastenholz
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Lykanthropen in seinen Büchern sind keine blutrünstigen Bestien. Auch nicht, wenn sie sich verwandeln. Genauso wenig wie die Katzenfrau.“
    „Das heißt, ein Lykanthrop könnte jahrzehntelang leben, ohne gemordet zu haben?“
    „Solange er genug Blut und rohes Fleisch bekommt, um sich zu ernähren … warum nicht? Sie brauchen vor allem Blut, sie leiden unter einer Anämie und müssen das Defizit ständig ausgleichen. Doch das geht auch mit Schweineblut. Es muss nicht unbedingt Mensch sein.“
    Felicia lauschte dazu nur und versuchte sich jedes seiner Worte einzuprägen. Frank kannte das Werk ihres Vaters ungleich besser als sie. Das lag wohl in der Natur der Dinge.
    „Auch Anderson meinte, Dad habe immer explizit recherchiert.“
    „Das bedeutet…?“ Erneut lachte er auf, als er begriff, worauf sie hinauswollte. „Oh bitte, das glauben Sie doch nicht im Ernst?“
    „Es kommt auch nicht darauf an, woran ich glaube, Frank. Alles spricht dafür.“
    Was sie da behauptete, gefiel ihm nicht. Deutlich war ihm das anzusehen. Doch damit konnte sie leben. Sie war nicht die schmale, hölzerne Treppe in den Keller des Verwaltungsgebäudes hinabgestiegen, um dem Bibliothekar ein schönes, einfaches Leben zu bereiten.
    Rau hustete er. „Im Umkehrschluss bedeutet das, es müsste auch Wer-Katzen geben.“
    „Auch das will ich nicht ausschließen …“
    Felicia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Abwartend, fast ein wenig überheblich berührten die Fingerspitzen ihrer einen Hand die der anderen. Sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie nervös sie war. Sie musste aufpassen, ihr Geheimnis für sich zu behalten.
    „Knallhart gefragt: Wenn ich nachts einem Werwolf begegne, wie soll ich mich verhalten?“
    Für einen Moment wollte er abermals lachen. Diesmal aus Unsicherheit, weil ihm nichts dazu einfiel. Es blieb ihm im Hals stecken.
    „Soll ich eine Silberkugel auf ihn abfeuern?“
    Er schluckte. „Möchten Sie meine ganz persönliche Meinung?“
    „Genau deshalb frage ich.“
    „Sie sind Biologin, hab ich gehört. Kennen Sie sich mit Tieren aus?“
    „Ein wenig“, gab sie zu.
    „Dann schauen Sie sich mal die Wölfe an. Noch nie hat ein gesunder Wolf einen Menschen angegriffen. Noch nie. Nur verletzte, kranke, oft auch tollwütige Tiere. Trotzdem haben ihn die Menschen in ihren Märchen gebrandmarkt.“
    „Wölfe haben die Lebensgrundlage der Menschen angegriffen: ihre Weidetiere.“
    „Richtig“, bestätigte er. „Aber niemals direkt einen Menschen. Trotzdem hat man sie gejagt. Vorsorglich.“
    „Und das bedeutet?“
    „Wenn Sie einem Werwolf begegnen, lassen Sie ihn einfach in Ruhe. Der will sicher nur in Ruhe gelassen werden.“
    „Und wenn er der Ansicht ist, Zeugen passen ihm nicht ins Konzept?“
    „Lassen Sie es darauf ankommen.“ Er verzichtete darauf, Felicia darum zu bitten, ihm zu vertrauen. Dafür kannten sie sich nicht gut genug.
    Es war schon komisch. Komisch nicht im Sinne von humorvoll, sondern eher seltsam. Gerade sie hatte dieselben Vorurteile gegenüber Lykanthropen wie jeder andere Mensch. Gerade sie, die zur Wer-Katze werden konnte. Bei jeder Begegnung mit ihr in ihrer Katzengestalt hätte ein Jäger sofort prophylaktisch geschossen. Anhand der Leiche konnte man sich danach immer noch vergewissern, was man überhaupt erlegt hatte und ob es sich lohnte, es ausstopfen zu lassen.
    Einige Sekunden schwiegen sich beide an.
    Felicia war es, die verhinderte, dass das Schweigen peinlich wurde:
    „Eigentlich bin ich wegen etwas anderem hier.“
    Seine Miene, die eben noch ernst, fast bedrückt gewirkt hatte, entspannte sich zusehends.
    Aufmerksam beobachtet er, wie Felicia die College-Mappe aus rotem Kunstleder, die sie mitgebracht hatte, auf ihren Schoß stellte und sie öffnete. Sie holte daraus ein Ringbuch hervor, das sie ihm wortlos reichte.
    Zwar nahm er es an, doch er begriff zunächst nichts. Er wusste nicht, worum es sich handelte.
    Schweigend blätterte er von hinten nach vorn darin: Karierte, beschriebene Seiten. Eine gut lesbare, geübte Schrift, nicht sonderlich kunstvoll und kaligraphisch, dafür jedoch umso zweckmäßiger. Linien aus schwarzer Tinte reihten sich aneinander, ergaben einen Fluss, der oft genug durchgestrichen worden war. Veränderungen, unpassende Worte, von anderen ersetzt oder ergänzt. Worte mit einem alten Kolbenfüller, der ihrem Vater geschenkt worden war und den nun Felicia in Ehren hielt, den sie immer in ihrer Handtasche bei sich trug. Obwohl

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