Felidae Metamorphosis (German Edition)
sie ihn nicht nutzte und ihn nicht seiner Bestimmung zuführte.
Sie hätte damit selbst schreiben sollen.
Nichts hätte ihren toten Vater glücklicher gemacht.
Erst als Frank bei der ersten Seite des Ringbuchs angelangt war, wurde er sich gewahr, was er in den Händen hielt.
DAS LEUCHTEN VON BLACKWOOD, stand dort als Titel. Ganz oben, in Großbuchstaben.
Darunter der Name des Verfassers: Roger P. Welch. Wie es sich gehörte, wie in einem gedruckten Buch. Obwohl der Verfasser genau gewusst hatte, er und kein anderer hatte das geschrieben.
„Das ist …“ Franks Worte schienen ihm im Hals stecken zu bleiben, doch seine Augen wurden zusehends größer vor Erstaunen, Bewunderung und Ehrfurcht.
Felicia nahm es ihm ab, den Satz zu beenden.
„Das ist ein Originalmanuskript von meinem Dad. Ich habe mit Absicht eines ausgesucht, in dem der Name der Stadt vorkommt.“ Ein wenig nervös nestelte sie am Verschluss der Mappe. „Ich dachte, es würde sich hier in der Bibliothek gut machen ...“
„Das ist genial!“, stieß er hervor, mit strahlenden Augen wie ein Kind vor dem Schaufenster eines Geschäfts mit Süßigkeiten.
So oder so ähnlich schien er tatsächlich zu empfinden.
Im Gegensatz zum größten Teil der Menschheit, die das Manuskript sogleich zur Versteigerung ins Internet gesetzt hätte, wusste Frank es zu würdigen. Felicias Vater hatte all seine handschriftlichen Aufzeichnungen eingelagert und niemals welche verkauft oder verschenkt. Für die Ewigkeit, sozusagen, auch wenn das Papier und die schwarze Tinte kaum die Ewigkeit überdauern würden.
Obwohl es ihm sichtlich widerstrebte, sich auch nur für einen Moment davon zu trennen, legte er das Manuskript auf den Schreibtisch, nur um Felicia lachend zu umarmen.
Seine Freude schien überschwänglich zu sein. Entsprechend war die Heftigkeit seiner Umarmung.
Zunächst war sie davon völlig überrumpelt, kaum imstande, etwas zu tun, außer es über sich ergehen zu lassen.
„Danke, danke, danke.“ Mehr brachte er nicht heraus, während er sie drückte.
Es ist doch nur ein Manuskript , hätte sie am liebsten geantwortet, überrascht von diesem Gefühlsausbruch. Das verkniff sie sich. Sie wollte ihm seine Freude nicht verderben, indem sie ihm sagte, bei ihr auf dem Dachboden befanden sich noch zwei weitere prall gefüllte Truhen damit.
Er brauchte einige Sekunden, sich zu fangen, dann erst ließ er Felicia los.
„Wo … wo haben Sie das her?“ Er konnte lediglich stammeln, bemerkte aber immerhin, wie unsinnig seine Frage gewesen war. „Ich meine … das ist das erste Manuskript, das von Ihrem Dad auftaucht.“
„Ich habe meine Quellen“, zwinkerte sie ihm mysteriös zu, während er wieder zu seinem Schreibtisch ging, das Ringbuch nahm und es wie einen Schatz an seine Brust drückte.
Ihre Entscheidung war richtig gewesen, sie musste kein schlechtes Gewissen haben. Spätestens jetzt wusste sie das endgültig.
„Das ist eine Riesenehre!“ Frank schien noch immer kaum zu begreifen, was er da in Händen hielt.
„Nein, nur die logische Konsequenz“, widersprach sie. „Ich wusste, Sie würden das mehr zu schätzen wissen als ich.“
„Sie sollten es der Stadt offiziell stiften“, schlug er vor. „Dann bekommen Sie ein Bild in der Zeitung und …“
„Als wäre ich auf Publicity aus …“
„Tue Gutes und sprich darüber“, rezitierte er. „Sie sollten das wirklich offiziell machen. Vielleicht entschließt sich dadurch einer der ungebildeten Höhlenmenschen hier endlich dazu, etwas anderes zu lesen als die Sportnachrichten.“
Sie musste grinsen. Ihr war klar, als Pseudo-Intellektueller hatte man hier einen schweren Stand.
„Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erzähle ich unserem Bürgermeister erst in einigen Tagen davon.“ Sein Grinsen verriet ihr, er hatte einen Plan. „Zunächst werde ich mir dieses Manuskript selbst zu Gemüte führen.“ Genüsslich schnalzte er mit der Zunge wie ein Gourmet. „Danach werde ich es mir kopieren und mir irgendwann das Vergnügen machen, diese Fassung mit der zu vergleichen, die letztlich publiziert wurde.“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, lachte sie.
Franks Benehmen schien ihr noch immer übertrieben. Im Gegensatz zu ihm würde sie auch nie annähernd dieselbe Begeisterung beim Lesen der Werke ihres Vaters verspüren, wie er. Roger Welch war für sie vor allem ihr Vater und erst dann der Schriftsteller.
Aber immerhin – sie wusste DAS LEUCHTEN VON BLACKWOOD in den besten
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