Felipolis - Ein Felidae-Roman
Duschen entlangsputeten und die Treppe hochrannten. Was hatte der Herr des kunstvollen Klammergriffs mit mir vor? Und noch brisanter war die Frage, ob es wirklich purer Zufall gewesen war, dass er ausgerechnet
mich aus dem fliehenden Pulk herausgefischt hatte? Und wenn nein, wieso eigentlich? Okay, es gab vielleicht etwas, wodurch ich mich von den anderen Artgenossen auffällig unterschied und weshalb ich unter ihnen sozusagen eine Außenseiterposition einnahm: Ich war der Einzige, der sich nicht für Dominos imaginäres Erbe interessierte. Nur, was sollte das für ein beknackter Grund für so einen geschniegelten Topmanager sein, aus einer Bande von Schwanzträgern zielgenau den nonkonformistischen herauszupicken? Und wie konnte ein Mensch allein durch bloße Betrachtung von diesem Unterschied Kenntnis erlangt haben?
Fragen über Fragen, auf die ich in meiner misslichen Lage - der Griff in meinem Nacken begann nun doch ein wenig wehzutun - keine Antwort wusste. Nein, ich war nach wie vor der zuversichtlichen Auffassung, dass der Kerl hier nur ungebetene animalische Gäste hatte vertreiben wollen. Und kaum hatte er sich von der Überrumpelung durch diese erholt, hatte er sich halt irgendeinen X-beliebigen aus der Meute herausgegriffen. Vermutlich würde er mich bald an die frische Luft setzen.
Seine nächste Aktion ließ allerdings einige Zweifel an dieser Auffassung aufkommen. Er schritt mit mir zur nächstgelegenen Wand. Ein prachtvoller Mosaikausschnitt schwebte mir entgegen. Antike griechische Tempelrudimente unter Wasser, zwischen denen sich Fischschwärme tummelten, alles im funkelnden Gold und Silber. Etwa einen halben Meter davor blieb Forster stehen und starrte mir mit seinem emotionslosen Blick wieder tief in die Augen. Tja, wat mach ma nu?, hätte ich ihn am liebsten gefragt.
Er antwortete mir auf seine Weise. Unvermittelt holte er
mit dem Arm aus, an dessen Ende ich wie ein Wäscheklammerbeutel baumelte. Ich wurde, einer wehenden Fahne gleich, die vom Wind jäh in die entgegengesetzte Richtung geblasen wird, abrupt rückwärts gerissen und wusste nicht, wie mir geschah. Dann schlug mich Forster mit aller Kraft gegen die Mosaikwand. Der Schmerz war so überwältigend, als wäre vor meiner Nase eine Handgranate explodiert. Vor meinen Augen flammte es gleißend hell auf, dann rot und dann grau. Ich spürte jeden einzelnen Knochen im Leib knacken und jeden einzelnen Nervenstrang platzen. Einige Zähne hatten sich aus meinem Gebiss gelöst und schwammen in der Blutsuppe in meinem Maul. Unscharf erkannte ich einen großen Blutfleck in Form eines versprengten weinroten Sterns auf den Tempelrudimenten. Das Beschämendste aber war, dass ich schlagartig die Kontrolle über meine Blase verloren hatte.
Forster ließ mich angeekelt auf den Kachelboden fallen. An einen Fluchtversuch war nicht zu denken, ich hatte keinen Funken Energie mehr. Mir blieb nur die vage Hoffnung, dass ich für meine Schuld nun genug gebüßt hätte. Wenngleich ich noch darüber rätselte, welch unfassbare Schuld ich angesichts dieser drastischen Strafmaßnahme auf mich geladen haben könnte. Die Hoffnung trog, wie nicht anders erwartet. Forster packte mich wie ein erlegtes Kaninchen an den Hinterbeinen, sodass ich kopfüber hing. Dann wandte er sich wieder der Mosaikwand zu. Im Stillen sagte ich der schönen Welt schon mal Ade.
Wie das erwähnte Kaninchen, das für ein Festmahl geopfert werden muss, drosch mich Forster noch zweimal mit voller Wucht gegen die Wand, bis ich schließlich das Bewusstsein
verlor … Das heißt, nicht ganz. Ich erinnere mich noch an die verheerenden Aufpralle, die noch dem stolzesten Crashtest-Dummy zur Ehre gereicht hätten, und an die höllischen Schmerzen, die durch jede einzelne Faser meines halb betäubten Körpers jagten. Ich erinnere mich daran, wie ich den Allmächtigen um Hilfe anflehte, damit er mich aus diesem Albtraum erlösen möge. Dann endlich, wie der Folterknecht mich auf den Kachelboden fallen ließ, nachdem die Arbeit erledigt war. An das Tack-tack-tack seiner Schritte, als er das Bad verließ, verewigt in einem grausamen Echo, das kein Anfang und kein Ende zu kennen schien. An die gewaltige Blutlache auf den schönen Fliesen, die sich ihren Weg wie ein über seine Ufer getretener See zum Schwimmbecken bahnte. An die vielen Kois darin, die friedlich umherschwammen, als wäre nichts passiert, und ab und zu ihre wulstigen Mäuler aus dem Wasser streckten, um ein bisschen Extra-Sauerstoff zu
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