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Felipolis - Ein Felidae-Roman

Felipolis - Ein Felidae-Roman

Titel: Felipolis - Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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glitzernd blau und dann immer türkiser werdend, je mehr ich mich dem Wasser näherte. Inmitten dieser Badewanne ohne Anfang und Ende erspähte ich das ersehnte Eiland. Erst war es nur ein winziger Fleck, dann wuchs es sich immer deutlicher zum wahren Herzen dieses Planeten aus. Mehlweiße Strände, die wie eine launische Kreidekritzelei die Konturen der Insel bildeten, der undurchsichtige Dschungel dahinter, die grünen Berge und Täler, ein kleiner Süßwassersee und schließlich die einsame
Wüste im Zentrum. Alles in allem war die Insel vielleicht so groß wie ein Bundesland.
    Ein pechschwarzer Vogel flog haarscharf an meiner Nase vorbei, nahm mir die Sicht und krächzte dabei so schrill und so laut, dass mir fast die Trommelfelle platzten …
    … Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen …
    »Scheiße nein! Francis macht den Abgang!«
    »Halt den Rand, Blaubart! Paps! Paps! Gib nicht auf. Bitte, bitte, halt jetzt durch! Du wirst sehen, alles wird wieder gut. Du musst nur kämpfen, verstehst du mich, du musst kämpfen!«
    »Atme, Alter, atme! Du weißt doch, wer nicht atmet, kann auch nicht mehr kacken. Scheiße ja!«
    Ich saß am Strand, den Blick aufs offene Meer gerichtet. Die im gemächlichen Rhythmus ans Ufer schlagenden Wellen nahmen sich aus wie das beständige Ausrollen eines Teppichs aus Samt und Seide. Die Sonne schien, keine einzige Wolke war am Horizont zu sehen, es war nicht zu kalt und nicht zu heiß, gerade richtig. Das Brausen der Wellen hörte sich besser an als die genialste Symphonie. Hinter mir lag eine Palmenwand, die in den verheißungsvollen Urwald führte. Vielleicht unternahm ich später einen Spaziergang darin. Vor meinen Pfoten häuften sich handtellergroße Muscheln im feinsten Sand. Jawohl, endlich war ich im Paradies angelangt!
    »Shalom, Francis, mej Bester!«
    Plötzlich war er da. Seltsam, dass ich ihn vorher nicht bemerkt hatte, obwohl er doch die ganze Zeit dort hinten am Ufer gestanden haben musste. Nein, es war nicht Marc Forster mit der kräftigen Schlaghand, sondern ein anderer Mann. Er besaß akkurat nach hinten gekämmte, pomadisierte, kurze
Haare, eine hohe Denkerstirn und trug einen ausladenden, schwarzen Stutzbart, der ihm bis zur Brust reichte. Trotz der angenehmen Temperaturen steckte er in einer mantelähnlichen, knielangen, steifen Jacke, die man im endenden neunzehnten Jahrhundert wohl als einen Rock bezeichnet hätte. Im Ausschnitt wurden eine dunkle Weste und darunter ein blütenweißes Hemd mit ebenfalls steifem, hochgestecktem Kragen sichtbar. Kein Zweifel, die Gestalt, die aus dem Nichts erschienen war, stammte aus einer anderen Ära, und so wie es aussah, aus jener Zeit, als die Dampfmaschine noch als eine Sensation galt. Ich hatte das Gefühl, diesen Menschen von irgendwoher zu kennen, von einer Fotografie aus einem historischen Buch vielleicht oder von einer Fernsehdokumentation.
    Mit aufgeräumter Miene flanierte er auf mich zu. Ich machte keine Anstalten wegzurennen. Warum auch? Wenn ich Blaubarts und Juniors Geisterstimmen Glauben schenken durfte, atmete ich ja nicht einmal mehr. Und Leute, die das Atmen aufgegeben hatten, brauchten sich auch nicht vor Geistern aus dem Dampfmaschinen-Zeitalter zu fürchten.
    »Zion«, sagte der Mann aus der Vergangenheit und kniete sich neben mich. Seine Augen waren von unendlicher Güte erfüllt. Er kraulte mich zärtlich hinterm Ohr. »Dos is nicht nur Isroel, nicht Jerusholem oder sonst a Geloibtes Land, wos mer nur ze betreten brauchen, um Erlösung ze finden. Es geht gornicht darom, sech en religjöse oder gor eppe romantische Sehnsüchte ze flüchten. Zion ist an Asyl für an jeden Gedemütigten, vor allem obar für an jeden Unfrejen. A Staat is nicht nur a Land met anerer Grenz drumherum, Francis.«

    »Nein«, antwortete ich, obwohl mir nicht ganz klar war, weshalb ich so schnell auf den philosophischen Zug dieses Kerls aufsprang. »Es ist auch ein Territorium, in dem man mit seinesgleichen im Frieden lebt.« Ich wunderte mich über mich selbst, dass diese Erkenntnis einfach so aus mir heraussprudelte. Was sollte dieses bizarre Gespräch? Eigentlich wollte ich nur in diesem Insel-Nirwana hocken und ganz gemütlich die Zeit verstreichen lassen, bis der Technicolor-Sonnenuntergang anrollte.
    »Du host es begriffen, klejner Kerl. A Staat is ejn abgeschlossenes geografisches Gebilde, wos a bissele dem Haus von dejm Vater glejcht. Und von dejner Mame. De ejnen sogen Hejmat dafür, de andernen Ghetto und wieder anderne sagen,

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