Felipolis - Ein Felidae-Roman
Domino das ideale Instrument für die hehre Sache gefunden, weil sie die Einzige von unserer Art war, die jemals Chancen auf so viel Kohle gehabt hatte. Der Kapitalbeschaffung für die Finanzierung von Felipolis war demzufolge immense Recherche und ein aufwendiges Ränkewerk vorausgegangen.
Trotzdem, kleiner Klugscheißer, sagte ich zu mir, ergibt die aus deinem Gedanken- und Traumbrei destillierte Wahnsinnsidee nicht viel Sinn. Denn wieso sollte ein so brutaler Mensch wie Marc Forster, der dich skrupellos an die Wand geklatscht hat, den Erfüllungsgehilfen für die Gründung dieses seltsamen Tierparadieses spielen? Und warum waren alle automatisch davon ausgegangen, dass Domino, erbte sie im unwahrscheinlichsten Falle tatsächlich die Fantastilliarden, diesem Plan zustimmen würde? Meine wahnwitzigen Schlussfolgerungen waren also ziemlich dürftig. Bei aller angestrengten Knobelei kamen statt vernünftiger Antworten nur noch mehr Fragen heraus.
Was mich allerdings nicht weiter betrübte. Die Ursache hierfür verstand sich von selbst. Wer auch immer sich dieses Trauminselszenario für mich ausgedacht hatte, bewies ein Pfötchen für die Erholungssehnsüchte von gestressten Detektiven. Ich fühlte mich einfach wohl hier. Von mir aus hätte ich nimmermehr aufwachen mögen. Ich wandte den Blick von dem Pseudo-Tevje ab und richtete ihn auf das in rhythmischen Schüben plätschernde, im vollkommensten Azur funkelnde Wasser. Und sieh mal an, aus den Wellen schauten mir alte Bekannte entgegen: die vielen Kois aus dem Schwimmbecken, in dem ich unlängst beinahe ersoffen wäre.
Und ich hatte immer gedacht, Kois wären Süßwasserfische. Aber egal, die Begegnung mit ihnen erfreute mich, wie mich eigentlich alles erfreute, was mir auf diesem besonderen Fleckchen Erde widerfuhr. Vielleicht war diese Schnapsidee mit Felipolis gar nicht mal so übel.
Dann geschah etwas Seltsames. Klar, die Dramaturgie eines jeden Traums gestaltete sich per se bizarr, aber die Sache war auffallend genug, um meinen Kurzurlaub von der Realität abermals zu unterbrechen und den Fokus meiner grauen Zellen darauf zu richten. Das, was ich auf dem Computermonitor heimlich in Adelheids ehemaligem Büro gesehen hatte, wiederholte sich hier sozusagen in natura. Dort hatte ein optisches Erfassungsprogramm bestimmte Muster auf den Körpern der Koi mit einer grell leuchtenden Schraffur abgegrenzt, vergrößert und sie in Form einer Buchstaben-Zahlen-Kombination zu einer langen Liste an der rechten Seite des Schirms angeordnet.
Hier geschah etwas Ähnliches. Allerdings auf eine surreale Weise. Die unterschiedlichen Bewegungen der Kois im Wasser bekamen zwischendurch einen Hänger , wurden kurzzeitig zum Standbild. Die markanten roten Muster pulsierten glühend, doch anstatt sich von irgendeinem Computerprogramm erfassen zu lassen, flogen sie einfach davon. Umflort von einer mit funkelnden Sternchen versehenen Aura zischten sie himmelwärts wie Silvesterraketen, bis sie in der Weite irgendwann nicht mehr zu sehen waren. Hunderte von diesen aberwitzigen Traumpartikeln schossen aus den Wellen gen Sonnenhimmel empor, sodass ich unwillkürlich an Digitaleffekte aus der Filmfabrik denken musste.
Was wollte mir dieses Spektakel nun wieder mitteilen? Die
Antwort lag so nahe wie der eigene Schwanz: Die Koische Mustererkennung hatte unmittelbar mit dem im Entstehen begriffenen Navigationssystem Galileo zu tun. Auch hier erinnerte ich mich an Dominos Worte, die mir noch erklärt hatte, dass die Herren Generäle aus sicherheitspolitischen Gründen von Galileo einen absolut unknackbaren Geheimcode verlangten. So lief also der Hase. Bei der computergesteuerten Erfassung der Koi-Muster handelte es sich wahrscheinlich um den sich noch im Erprobungsstadium befindlichen Supercode für Galileo.
Jeder von einem Genie entwickelte Code konnte von einem Gegengenie geknackt werden, das war eine alte Binse. Doch wie wäre es mit einem Code, dessen Zusammensetzung nicht aus ellenlangen Zahlen- oder Buchstabenreihen oder sonstigen cleveren Algorithmen besteht, sondern aus lebendigen Individuen? In der endgültigen Version könnten diese sogar voneinander räumlich entfernt sein. Ihr einziger Beitrag als Codeelement wäre, dass sie jederzeit identifizierbar und lebendig sein mussten. Und wenn sie starben, tauschte man sie einfach durch ein anderes Element aus. Noch effektiver würde sich die Angelegenheit gestalten, wenn sich alle Teilstücke dieses Codes auf einem übersehbaren
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