Felipolis - Ein Felidae-Roman
nachgedacht, bin aber zu keinem Ergebnis gekommen. Was hatten diese Fragen genau zu bedeuten, mein Freund?«
Ich kann mich irren, weil gleich darauf meine Augenlider mit der Wucht eines Fallbeils niedersausten. Doch wenn ich es richtig mitbekommen hatte, antwortete Herzl daraufhin - nichts.
12
»Wenn ich einmal reich wär’
o je widi widi widi widi widi widi bum
alle Tage wär’ ich widi bum
wäre ich ein reicher Mann! Oi,
Brauchte nicht zur Arbeit
o je widi widi widi widi widi widi bum
wäre ich ein reicher wi di wam
eidel deidel eidel deidel Mann …«
Ja, es war der Milchmann Tevje aus dem Musical »Anatevka«, dessen launiges Liedchen über den Wunsch nach Wohlstand ich da vernahm. Und zwar ebendort, wo ich mich inzwischen fast wie zu Hause fühlte. Wieder einmal hatte mich die Traummaschinerie auf die paradiesische Insel verschlagen, die offensichtlich Dreh- und Angelpunkt des Rätsels war. Doch es fehlte mir immer noch der Code, um das Schloss zu knacken und endlich einen Blick auf die Lösung im Stahlschrank erhaschen zu können. Apropos Code …
Ich stand entspannt am Strand und ließ den Blick zu den mit leisem Rauschen anrollenden, immer zahmer werdenden und schließlich im Sand versickernden Wellen schweifen. Rechts von mir lag das Meer im glitzernden Blauton eines Opals. Links der wilde Dschungel voller überbordender,
exotischer Blumen und sich strandwärts neigender Palmen. Und über allem eine makellose Zitronensonne am azurblauen Prachthimmel. Ein angenehm warmer Wind streichelte mein Fellkleid und wehte mir den salzigen Duft des Ozeans in die Nase.
In zirka fünfzig Metern Entfernung tanzte Tevje, der Milchmann, und sang weiterhin sein Lied.
»… ach
das wünschte ich mir schon!
Wenn ich einmal reich wär’
o je widi widi widi widi widi widi bum
alle Tage wär’ ich widi bum
wäre ich ein reicher Mann! …«
Aber nein, es war gar nicht Tevje, sondern jemand, der sich nur als Tevje kostümiert hatte. Die altmodische Schiebermütze auf dem Kopf, der mit schwarzen Längsstreifen gemusterte und mit Zipfelquasten versehene, Brust und Rücken bedeckende weiße Gebetsschal über der fadenscheinigen Lederweste und abgetragene Schaftstiefel an den Füßen. Der derart Verkleidete war natürlich kein Geringerer als Freund Rauschebart höchstpersönlich. Hatte er sich in meinem letzten Traum staatsmännisch mit einer bis zu den Knien reichenden, mantelähnlichen Jacke und blütenweißem Hemd präsentiert, gab er sich jetzt volkstümlich. Was hatte das denn jetzt wieder zu bedeuten?
Ich überlegte. Und nahm den Faden gleich bei der Story des Stücks auf, wobei ich mich selbst dafür verfluchte, dass die elende Kombiniererei selbst im Traum nicht aufhören
wollte. »Anatevka« handelt von einem ukrainischen Dörfchen in der vorrevolutionären Zeit um 1905, das von Juden bevölkert ist, die großen Wert auf Tradition legen. Vor dem Hintergrund drohender Pogrome im zaristischen Russland geht es um die tragikomischen Schicksalsverwicklungen der Dorfbewohner. Die Verfilmung von Norman Jewison, die ich oft im Fernsehen auf der Couch neben Gustav gesehen hatte, war mir in bleibender Erinnerung geblieben und hatte sich über sieben Assoziationsecken Zugang in meinen Traum verschafft. Doch wieso eigentlich?
Ich hatte da einen Verdacht. Ein über die ganze Welt verteiltes Volk, das seit einer Ewigkeit der Verfolgung bis zur Ausrottung ausgesetzt war, hatte irgendwann die Fesseln gesprengt und seinen eigenen Staat gegründet: Israel. Das passte vorzüglich zu meiner Theorie, welche ich Herzl dargelegt hatte, dass nämlich unseresgleichen mit Dominos Milliardenerbe einen eigenen Staat kaufen könnte und nie mehr auf die Gnade der Dosenöffner angewiesen wäre. Zudem sprach für diese gedankliche Assoziation zwischen Israel und dem kommenden Felipolis, dass Juden über Jahrhunderte und alle Länder hinweg mit dem Vorurteil der Geldgier behaftet waren.
Was wollten diese Parallelen mir also sagen? Dass meine Rasse es den Juden gleichtun und ebenso einen eigenen Staat gründen sollte? Vielleicht. Doch wer um Himmels willen war auf diese beknackte Idee gekommen, hatte sie verbreitet und einen Artgenossen nach dem anderen damit angesteckt? Während ich mir den trällernden und tanzenden Milchmann so betrachtete, kam mir plötzlich eine Wahnsinnsidee: Das war alles schon vor langer Zeit und von langer Hand
vorbereitet gewesen. Noch vor Adelheids Tod! Und alle wussten darüber Bescheid - außer mir. Man hatte in
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