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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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müssen.«
    »Womit genau?«
    Sie hob vielsagend die Brauen.
    »Ich bin für dich nur ein Spielzeug, nicht wahr?«, beklagte ich mich mit gespielter Bitterkeit.
    »Ganz genau, Junge. Sagen wir um achtzehn Uhr – gib mir ein wenig Zeit, um hier rauszukommen. Wir treffen uns im Costella. Du wirst dich anstrengen müssen, um mich glücklich zu machen.«
    »Gilt schlechtes Benehmen als gute Führung?«
    »Mal sehen. Kommt darauf an, wie schlecht du sein kannst.«
    »Cheryl, geht da neben dem neuen Anbau eine schmale Gasse vorbei?«
    »Ja, dort stehen die fahrbaren Müllcontainer. Warum?«
    »Ich gehe runter und klettere aufs Flachdach.«
    »Als Nachspiel zum Sex? Vielen Leuten würde es reichen, eine Zigarette zu rauchen oder so etwas.«
    Ich küsste sie. »Rauchen ist ungesund«, sagte ich.
    »Das bin ich auch, Junge. Ich werde dir den Rücken verrenken.«
    »Ich freue mich darauf. Warte hier – ich bin gleich wieder zurück.«
    Ich ließ sie stehen und stieg die Stufen hinunter. Frank nickte mir freundlich zu, als ich an ihm vorbeiging. Zum ersten Mal tat ein zweiter Wachmann mit ihm Dienst – ein jüngerer Mann mit militärisch kurzem Haarschnitt, der mich mit Fischaugen anstarrte. Ich lächelte wie ein gutmütiger Idiot und ging weiter.
    Der schmale Weg war eine Sackgasse, auf beiden Seiten von den Müllcontainern der angrenzenden Häuser gesäumt. Jeder der schwarzen Kunststoffsärge trug eine Nummer in weißer Farbe, die beim Trocknen Tränen gebildet hatte.
    Alles sah aus der Bodenperspektive anders aus. Ich suchte den richtigen Punkt nach Augenmaß, so gut ich konnte, kletterte auf einen Container und benutzte dabei die Querstange eines geschlossenen Stahltors. Es war eine einfache Kletterpartie, was mich nicht im Mindesten überraschte. Jemand im Archiv unternahm sie schließlich ständig. Aber ich war zu weit gegangen und blickte in einen Bauhof. Das Flachdach des Bonnington-Anbaus endete circa drei Meter links von mir. Ich balancierte wie ein Akrobat über die Mauer, bis ich das Dach erreichte. Ich sah den Plastikbeutel dicht an der Außenwand des Hauptgebäudes liegen, die abgesehen von den kunstvollen Oberlichtern auf der oberen Kante wie eine fensterlose Klippe erschien.
    Ich ging zu der Tüte und hob sie auf. »Bei Sainsbury’s schmeckt’s besser« . Der Beutel war schwer und rechteckig. Ich riss eine Ecke auf und sah hinein.
    Die Worte ОТ ВСЕЙ ДЧШИ ПОЗДРАВЛЯЮ И ЖЕЛАЮ ВСЕГО НАИЛУЧШЕГО sprangen mir entgegen, aber es war wohl Zufall. Mehr als die Hälfte der Briefe und Dokumente in dem Beutel waren in Englisch verfasst.
    Ein Pfiff ließ mich hochschauen. Cheryl lehnte sich aus dem Dachfenster. Sie winkte, und ich winkte zurück. Ich deutete ihr an, sie solle dortbleiben, indem ich die Hand wie ein Polizist zum Stoppzeichen hob. Sie nickte.
    Ich kehrte ins Haus zurück und stieg in den vierten Stock hinauf, aber sie kam mir auf halbem Weg entgegen.
    »Was war in dem Plastiksack?«, fragte sie.
    »Eine Auswahl guter, nahrhafter landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu einem vernünftigen Preis«, sagte ich. »Cheryl, lässt du mich noch einmal in den russischen Raum?«
    »Ich dachte, du sagtest, das sei eine Sackgasse. Was war in dem Beutel?«
    »Unterlagen. Richtig, das habe ich gesagt, und ich hatte vielleicht sogar recht. Aber da ist etwas, das ich mir noch einmal ansehen muss.«
    Alles im Tresorraum war so, wie ich es in jener Nacht zurückgelassen hatte. Die Kartons waren noch immer auf dem Boden gestapelt, Richs Laptop stand auf dem Tisch, und es herrschte noch immer der gleiche saure, entmutigende Geruch wie beim ersten Mal, als ich den Raum betrat, was mittlerweile vier Tage zurücklag.
    »Achtzehn Uhr«, erinnerte Cheryl mich.
    »Ich bin da«, versprach ich.
    Wir küssten einander und trennten uns.
    Sobald sie gegangen war, schaltete ich den Computer ein. Während er hochfuhr, suchte ich nach dem anderen Gegenstand, den ich brauchte. Er hätte auf dem Tisch sein müssen, aber da er nicht zu sehen war, musste ich ihn zusammen mit einem Papierstapel in einen der Kartons gelegt haben.
    Ich brauchte zehn Minuten, um ihn zu finden, aber wenigstens war er noch da. Es war das spiralgebundene Reporter-Notizbuch mit Richs handschriftlichen Anmerkungen. Damit bewaffnet öffnete ich das Datenbankprogramm auf dem Rechner und versuchte herauszubekommen, nach welchen Gesichtspunkten die Daten sortiert waren. Es gab eine Datei mit der Bezeichnung »Russisch 1«, mit der

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