Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
geben?«
»Klar, Nicky. Sie sind doch bereits hinter dir her, oder hast du das vergessen? Außerdem bist du tot. Du hast nichts zu verlieren.«
Nicky war nicht entzückt. »Bei meiner Arbeit« – murmelte er und funkelte mich wütend an – »versuche ich, so unbemerkt wie möglich zu Werke zu gehen. Ich bemühe mich, das Netz nicht zu stören. Weil das Netz«, er machte eine ausholende Geste, »einem großen Fluss gleicht, und am Ufer sitzt eine ganze Armee von Typen auf Klappstühlen und lässt ihre Angeln und Schnüre hineinhängen. Alles, was du berührst, Castor, ist ein Haken. Da draußen sind Leute, die alles über dich wissen wollen. Damit sie dich überprüfen können. Damit sie dich neutralisieren und töten können, wann immer sie wollen. Glaubst du, ich wüsste nicht, dass Verfolgungswahn ein Krankheitszustand ist? Ich weiß das besser als jeder andere. Aber man nimmt ihn an, wenn er einem beim Überleben hilft.«
»Das Beängstigendste ist, dass das für mich logisch klingt«, stellte ich säuerlich fest. »Ich schwöre dir, dein Name wird nirgendwo erwähnt. Nichts von dem, was du für mich tust, dringt nach draußen – nicht mal zu dem Kerl, der mich engagiert hat. Ich benutze es nur, um zu bestätigen, was ich bereits weiß oder zu wissen glaube, und danach bin ich dir einen Gefallen schuldig. Einen ganz großen.«
Nicky nickte mehr oder weniger zufrieden. »Ich mag es, wenn Leute mir einen Gefallen schulden«, sagte er. »Gut, Castor, ich nehme mir deinen Laptop vor.«
»Meinst du, du könntest feststellen, ob jemand diese Datei manipuliert hat?«
Darüber lachte er betrübt. »Machst du Witze? Ich kann sogar feststellen, ob jemand, der mit der Maschine im selben Raum war, gefurzt hat und was der Betreffende vorher gegessen hat. Ich habe meine Methoden, Castor – und meine Hilfsmittel. Dein Sukkubus treibt übrigens schon seit einiger Zeit sein Unwesen.«
Ich sprang auf. »Wie bitte?«
»In einigen Zauberbüchern gibt es eine Beschreibung der weiblichen Erscheinung. Die dunklen Augen. Die totenweiße Haut. Der Name.«
»Juliet?«
»Ajulutsikael. Sie ist die Schwester Baphomets und die Jüngste dieser Linie, aber stark und mit Worten oder künstlerischen Symbolen nicht leicht darzustellen. Aber mit Silber kannst du sie fesseln und mit ihrem anagrammatisierten Namen besänftigen.«
»Woher weißt du, dass sie diejenige welche ist?«
»Weil sie einen Namen benutzt, der aus Buchstaben ihres wahren Namens besteht. Das tut sie immer. Frag mich nicht, warum. Dämonen tun so etwas nun mal. Übrigens, trug sie Silber am Leib?«
»Eine Kette. Um den Knöchel.«
»Da hast du’s. Du kannst von Glück reden, dass du noch am Leben bist. Sie ist schnell und böse. Gerald Gardner – Crowleys alter Kumpel – erzählt von einem Freund, der sie beschwor, um seine Kameraden an einem Herrenabend zu beeindrucken. Sie spielte die Schüchterne und brachte ihn dazu, mit einem Fuß über den Rand seines magischen Kreises zu treten, dann riss sie ihm Schwanz und Eier ab und verzehrte sie. Nicht die heiße Oralnummer, die er sich erhofft hat, nehme ich an. Oh, und sie gibt nie auf! Das ist der andere Punkt, den die Okkultisten anführen. Wenn sie einmal deine Witterung aufgenommen hat, kommt sie immer wieder. Nimm dich bloß in Acht!«
Darauf erfolgte von mir keine Antwort außer einem unwillkürlichen Erbeben. »Danke«, sagte ich. »Ich hatte wegen der ganzen Sache ein schlechtes Gefühl, aber augenscheinlich war es nicht schlecht genug. Du hast mir sehr geholfen.«
»Tut mir leid. Ich dachte, du solltest es wissen.«
Ich stand auf.
»So schnell wie möglich, Nicky«, sagte ich und wies auf den Laptop. »Ruf mich an, wenn du kannst! Ich muss das Ding zurückbringen, ehe jemand bemerkt, dass es weg ist.«
»Ich melde mich«, versprach er. Dann, während ich Anstalten machte hinauszugehen, stoppte er mich mit einer Geste. »Weißt du, dass du beschattet wirst?«
»Noch immer? Ich sah sie, als ich kam, aber …«
»Sie ist dreimal vorbeigegangen. Sie hat nach dir gesehen. Vielleicht wartet sie darauf, dass du gehst.«
Ich war beeindruckt von der Sensibilität seines Radars – und froh, die Bestätigung für meine Befürchtung erhalten zu haben. »Ja, ich weiß.«
»Muss ich etwas über sie wissen?«
»Nein, es ist eine persönliche Angelegenheit.«
»Das soll wohl ein Scherz sein.« Nicky schüttelte angewidert den Kopf. »Sie ist zu jung für dich. Sie ist für jeden zu jung.«
»Ruf mich an«,
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