Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
sagte er. »Diese Menge Material …« Dann begann er zu lesen und schüttelte nochmals den Kopf, diesmal noch wilder. »Ich bin nicht im Morddezernat. Ich habe keinen Zugang zu diesen Dokumenten.«
»Ich bin sicher, dass Sie alte Freunde um einige Gefallen bitten können, Sie sind schließlich mittlerweile eine große Nummer beim SOCA. Fotokopien wären prima. Im Notfall tut es auch eine CD. Besorgen Sie mir den Kram, und jeder kann sich aus dem Leben des anderen verabschieden. Für immer.«
Ich machte einen Schritt zur Tür. Dodson kam zögernd auf die Füße. Sein Arm schoss vor, und er stoppte mich, kam dicht an mich heran und blickte aus seiner ansehnlichen Höhe auf mich herab.
»Peter wollte nicht, dass der Junge stirbt«, sagte er drohend. »Verstehen Sie mich?«
»Dazu will ich mich nicht äußern«, antwortete ich im gleichen Tonfall und blickte ihm nicht weniger drohend in die Augen.
»Ich habe ihn schon bestraft. Ich denke, er hat an seiner Schuld schwer genug zu tragen, aber ich habe bis zum Ende des Schuljahrs Stubenarrest über ihn verhängt, und ich habe den geplanten Urlaub in der Schweiz gestrichen. Es ist nicht so, dass ich das Ganze auf sich beruhen lasse. Es ist nicht so, dass er nicht begreift, was er getan hat.«
»Davey Simmons ist tot«, sagte ich immer noch im gleichen Tonfall. »Also scheiß auf Sie und den Streifenwagen, in dem Sie gesessen haben.«
Ich erwartete, dass Dodson handgreiflich werden und mich schlagen würde, aber er ließ die Arme schlaff herabhängen und senkte den Blick.
»Heute Abend«, sagte er.
»Ja.«
»Danach hören wir nie wieder von Ihnen.«
»Genau.«
»Ich könnte Ihnen das Leben ziemlich schwer machen.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber lassen sie uns einander stattdessen lieber glücklich machen, ja?«
Ich ging hinaus. Barbara hatte sich vernünftigerweise rar gemacht.
Was nun? Von Nicky kein Wort über den Computer. Auf keinen Fall würde ich mich auch nur in die Nähe des Archivs wagen für den Fall, dass Ajulutsikael sich dort noch herumtrieb. Was blieb übrig?
Rosa. Ich wusste, dass meine Chancen, sie zu finden, denkbar gering waren, aber sie konnte mir vieles erleichtern. Ich war sicher, dass sie die tote Frau kannte, die letzten Lücken füllen und mir geben konnte, was ich brauchte, um in diesem Schlamassel einen Sinn zu erkennen.
Natürlich musste ich davon ausgehen, das Damjohn es ebenfalls wusste. Wenn er in all das so tief verwickelt war, wie ich annahm, hatte er Rosa höchstwahrscheinlich irgendwohin verfrachtet, wo ich nicht an sie herankäme, daher war das Kissing the Pink wahrscheinlich die falsche Adresse, um mit meiner Suche zu beginnen. Trotzdem musste ich dorthin.
Es war die übliche tote Zeit des Nachmittags, wenn sich die Mittagspausengäste aus der City verflüchtigt hatten wie ein Schweißtropfen am Busen einer Stangentänzerin, und die Sextouristen schliefen sich noch von den Ausschweifungen der vorangegangenen Nacht aus. Ich kam von der Straße herein und traf den Türsteher – glücklicherweise nicht Arnold – halb schlafend in seiner Zelle und den Club selbst zu drei Vierteln menschenleer an. Augenscheinlich hatte ich gerade eine Pause zwischen zwei Tanzdarbietungen erwischt, denn der Breitwandfernsehschirm zeigte einen Softporno, der so alt und verkrampft war, dass er eher zur Gattung Kitsch als zur Gattung Stimulanz gezählt werden musste.
Ich hatte ein wenig Angst davor, mit Damjohn selbst zusammenzutreffen oder, was noch schlimmer wäre, mit Scrub, aber von beiden war nichts zu sehen. Ein Typ, von dem ich keine Ahnung hatte, wer er war, bewachte die innere Tür, durch die man nach oben ins Bordell gelangte, und bedeutete mir mit einem gleichgültigen Kopfnicken durchzugehen.
»Sie haben hier ein Mädchen namens Rosa«, sagte ich zu der rotblonden Erscheinung, die hinter der Bar im ersten Stock bediente. Sie sah aus wie eine Ausklappschönheit, was in diesem Fall hieß, dass ihre Sonnenbräune in ein karotingiftiges Orange spielte, und ich war fast sicher, dass ihre Taille mit zwei Heftklammern in Form gebracht worden war. Sie schenkte mir ein unvoreingenommenes Lächeln und nickte vergnügt, aber das Nicken hatte keine tiefere Bedeutung. »Das ist richtig, Süßer«, sagte sie. »Nur ist sie nicht hier. Wir haben aber ein paar Mädchen, die genauso blutjung sind. Wir haben Jasmin, die knapp eins sechzig groß und sehr fleißig ist – gerade erst achtzehn geworden, und Sie können mit ihr feiern, dass …«
Ich
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