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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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unterbrach sie, ehe sie mich mit Jasmins Preisliste vertraut machte. »Ich möchte wirklich Rosa wiedersehen«, sagte ich und hoffte, dass diese ziemlich unverblümte Lüge für bare Münze genommen wurde. »Sie arbeitet freitags und samstags hier«, sagte die Frau, während das Lächeln unmerklich aus ihrem Gesicht wich.
    »Heute ist Samstag«, versuchte ich, ihr auf die Sprünge zu helfen.
    »Das ist richtig, Süßer. Nur ist sie nicht hier. Sie hat sich im Rahmen der Gleitzeit heute einen Tag freigenommen.«
    Gleitzeit. Klar. Ich blieb ernst, denn ich war ein Profi, verdammt noch mal. Aber ich wusste, dass der nächste Versuch auch nicht klappen würde.
    »Haben Sie ihre private Telefonnummer?«, fragte ich.
    Das Lächeln wurde abrupt weggeklappt und für eine besser geeignete Gelegenheit eingelagert.
    »Ich kann Ihnen unsere persönlichen Daten nicht nennen, mein Lieber, das wissen Sie genau. Ich habe viele andere Mädchen hier. Sie müssen sich umschauen, ob Sie eins finden, das Ihnen gefällt.«
    Ich schluckte die Abfuhr mit einem dämlichen Lächeln, was mir in diesem Augenblick das Sicherste schien. Dann trat ich den Rückzug an, sobald ich sicher sein konnte, kein unnötiges Aufsehen zu erregen.
    Rosa war also verschwunden. Einstweilen konnte ich nicht mehr tun. Auch sonst waren mir die Hände gebunden, so lange Nicky sich nicht meldete. Wahrscheinlich war es das Beste, nach Hause zurückzukehren, mich ins Bett zu legen und auszuschlafen, denn ich würde später sicherlich noch einige Energie brauchen.
    Aber da war noch etwas, das mich schon die ganze Zeit beschäftigte, etwas, das ich seinerzeit als nebensächlich verworfen hatte. Seltsam, wie Nebensächlichkeiten und Zufälle an Bedeutung gewannen, wenn sie sich häuften. Daher rief ich Rich an, der sich wunderte, dass ich mich noch immer mit dem Fall befasste. »Ich weiß nicht«, sagte er halb im Scherz. »Nach dieser Geschichte mit Alice’ Schlüsseln werden Sie hier wie ein Aussätziger betrachtet.«
    In Gedanken rieb ich eine der Schrammen an meinem Arm. »So komme ich mir auch vor«, sagte ich. »Ich fühle mich, als verlöre ich nach und nach das eine oder andere Teil von mir. Rich, erinnern Sie sich, wie Sie mir von den russischen Dokumenten erzählten? Sie sagten, sie seien von irgendwo in Bishopsgate gekommen und Sie hätten sie gefunden. Wie ist das genau gewesen?«
    Wie Cheryl schien Rich überrascht zu sein, dass ich noch immer auf der russischen Sammlung herumritt. »Es war ein Geschäft um mehrere Ecken«, sagte er. »Einer meiner ehemaligen Dozenten am Royal Holloway College kannte einen Typen, dessen Großvater kurz vor der Revolution hierhergekommen war. Er hatte einige Koffer voll mit diesem Zeug, beherrschte aber nicht genug Russisch, um irgendetwas davon zu verstehen. Aber ich dachte, Sie hätten bei dem Kram in den Kartons eine Niete gezogen? Wie kann er jetzt noch von Bedeutung sein?«
    »Höchstwahrscheinlich ist er das nicht«, gab ich zu. »Aber der ganze Ablauf beschäftigt mich. Dass der Geist kurz nach Ankunft der Sammlung erschien und Russisch sprach.« Die weinende Frau, die ich gesehen hatte, als ich die Dokumente abtastete, erwähnte ich nicht. »Haben Sie noch die Adresse?«
    »Möglich. Allerdings weiß ich nicht, ob der Kerl noch dort wohnt.«
    »Egal. Ich dachte, ich könnte mich dort mal umschauen. Wenn ich niemanden antreffe, dann habe ich nur ein wenig Zeit vergeudet.«
    »Warten Sie eine Minute! Ich sehe mal nach.«
    Es dauerte länger als eine Minute. Ich war drauf und dran aufzulegen und neu zu wählen, als Rich sich endlich wieder meldete.
    »Ich hab’s gefunden«, sagte er freudestrahlend. »Ich wusste, es musste hier irgendwo sein. Der größte Teil der Korrespondenz lief über Peele, aber ich habe den ersten Brief des Burschen an mich gefunden. Nummer 14 Oak Court, Folgate Street. Das ist am Ende von Bishopsgate, kurz vor der Shoreditch.«
    »Danke, Rich!«
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden! Allmählich fängt die Sache an, mich zu interessieren.«
    »Werde ich tun.«
    Ich legte auf und machte mich auf den Weg nach Ost-London.
    *
    Niemand erinnerte sich an den Namen des Bischofs, der im Mittelalter das Bischofstor erbaut und ihm seinen Namen gegeben hatte. Aber andererseits war er auch ein fauler Hund gewesen und hatte es verdient, vergessen zu werden. Im Grunde hatte er nichts anderes getan, als sich eine Hintertür durch die Stadtmauer zu bauen, damit er von seiner Behausung in der sonnigen Southwark

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