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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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man darüber stolpern musste, wenn man es eilig hatte. An den Seitenwänden des Raums befanden sich zwei Couchen, und in der Mitte der hinteren Kabinenwand ragte etwas auf, das an einen hohen Schrank erinnerte. Daneben war versetzt ein niedriges, würfelförmiges Objekt zu erkennen und zwischen mir und dem Schrank stand ein Stuhl, und je genauer ich ihn in Augenschein nahm, desto deutlicher glaubte ich zu erkennen, dass jemand darauf saß.
    Ich trat einen Schritt zur Seite, sodass ich nicht mehr als Silhouette vor der offenen Tür hinter mir zu sehen war. Es machte keinen Unterschied. Falls jemand auf dem Stuhl saß, hätte er mich längst gesehen und genügend Zeit gehabt, um auf mein Auftauchen zu reagieren. Aber die Reglosigkeit und die Stille dauerten an, und ich sagte mir, dass die Dinge langsam in Angriff zu nehmen ein Luxus war, den ich mir gerade nicht leisten konnte.
    Ich ging um den Tisch herum in den Raum. Das brachte mich auf gleiche Höhe mit dem Stuhl und bestätigte meine Vermutung: Er war wirklich besetzt, und zwar von jemandem, der stocksteif im Dunkeln saß, starr aufgerichtet und ständig geradeaus schauend, obwohl ich mich deutlich links von ihm befand.
    Ich dachte abermals daran, das Licht anzuknipsen, und gelangte zur gleichen Entscheidung. Obgleich ich mich im Innersten dagegen sträubte, näherte ich mich dem Stuhl und seinem bewegungslosen Benutzer. Ich streckte eine Hand aus und legte sie behutsam auf die Schulter der schweigsamen Gestalt.
    Sie verkrampfte sich, ihr Kopf fuhr ruckartig zu mir herum, ihr Rücken bog sich. Sie versuchte, meiner Berührung auszuweichen, kam aber nicht allzu weit. Die Kombination aus Zurückweichen und der fast vollkommenen Unmöglichkeit, den Platz zu wechseln, stellten mich für etwa eine halbe Sekunde vor ein Rätsel. Ich erkannte, dass die Gestalt an den Stuhl gefesselt war, ungefähr im selben Moment, als etwas Kaltes und Hartes gegen meinen Nacken krachte und mich auf die Knie sinken ließ. Lange blieb ich aber nicht in dieser Haltung. Der Fuß, der mich in der Magengrube traf, warf mich um und streckte mich zu Boden, wo ich mich mühsam nach Luft ringend hin und her wand.
    Licht flammte auf und blendete meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen. Es war jedoch kein so schlimmes Handicap, wie man meinen sollte. Nach Luft ringend, benommen und in Fötushaltung auf dem Boden liegend hätte ich sowieso nicht sehr viel von meiner Umgebung erkennen können.
    Damjohns salbungsvolle Stimme durchdrang meinen Schmerz. »Ich habe eine Anrufer-Identifikation, Mister Castor«, sagte er mit höhnischer Stimme. »Als Richard mich mit Arnolds Telefon anrief, das der vor Kurzem während einer handgreiflichen Auseinandersetzung in einer öffentlichen Toilette verloren hatte – was, meinen Sie, sollte ich da denken?« Er sagte noch ein paar andere Dinge – oder zumindest redete er noch, als ich das Bewusstsein verlor.

22
    V ermutlich war ich nur für eine Minute oder so bewusstlos. Als ich mich mühevoll aus dem schwarzen Schacht, den Chandler immer mit so lyrischen Worten beschrieb, emporkämpfte, konnte ich noch immer Damjohns Stimme hören. Er sprach in knappen, befehlenden Sätzen. Wie es klang, gab er Anweisungen. Schwere Schritte bewegten sich durch die Kabine. Gut. Wenn er sich mit jemand anders unterhielt, konnte ich wieder einschlummern.
    Aber jemand anders zog mich unsanft hoch und schüttelte mich heftig, um die Spinnweben in meinem Kopf zu vertreiben – fast wäre sogar mein ganzer Kopf gleich mit draufgegangen. Blinzelnd schlug ich die Augen auf und sah vor mir eine Szene, die sich mir in einer verwirrenden Perspektive darbot und eine niederschmetternde Wirkung auf meine Lebensgeister ausübte.
    Damjohn saß entspannt auf einer der Couchen und zündete sich gerade eine schwarze Zigarette an. Hinter ihm standen McClennan und Arnold. Arnolds ramponiertes Gesicht vermittelte mir ein Gefühl bescheidener Befriedigung, aber es reichte bei Weitem nicht aus, um mir das Herz zu wärmen. Zwei weitere Heldengestalten, denen man mich nicht vorgestellt hatte, standen rechts und links neben mir und hielten mich in Ermangelung entsprechender erfolgreicher Anstrengungen meiner gummiweichen Beine aufrecht.
    Der Frau, die an den Stuhl gefesselt war, hatte man einen grauen Postsack über den Kopf gezogen.
    »Mister Castor«, sagte Damjohn mit einem Anflug liebevoller Strenge. »Irgendwann während dieser traurigen, komplizierten Affäre erwies ich Ihnen die Ehre eines

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