Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Cheryl holte die Getränke, während Rich, Jon und ich einen freien Tisch suchten. Es war nicht schwierig: Die Feierabendklientel begann gerade erst einzutrudeln, nur mäßig angelockt von der Plastikgold-Einrichtung und der Sandwichauswahl und völlig gleichgültig gegenüber den zwei Reihen Spielautomaten, die in der fernen Ecke ihr synchrones Begrüßungsgedudel ertönen ließen.
»Was halten Sie vom Bonnington?«, fragte Rich mit einem süffisanten Grinsen.
Er hoffte wohl auf eine krasse Antwort – eine, die er auskosten konnte. Ich entschied mich für Diskretion. »Nun, es ist ein Büro«, sagte ich. »Je mehr man davon sieht, desto ununterscheidbarer sehen sie aus.«
»Haben Sie schon mal in einem gearbeitet?«, fragte Tiler schneidend.
»Ich habe immer getan, was ich jetzt tue«, sagte ich und überspielte die Tatsache, dass ich während der letzten anderthalb Jahre nirgendwo gearbeitet hatte. »Also: nein, abgesehen von dem einen oder anderen Semesterferienjob. Aber man hat mich schon in ziemlich viele bestellt.«
»Nun, ich habe jede Menge gesehen«, sagte Rich. »Aber so etwas wie diesen Laden habe ich noch nie erlebt.«
»Es ist ein wenig wie ein Sumpf aus Angst und Schrecken«, gab ich zu. »Was ist mit Alice? Ist sie immer so?«
Er hob die Brauen. »Nein. Sie war schon immer ein Biest, aber jetzt hat sie sich mit Jeffrey zerstritten, nicht? Höchstwahrscheinlich hat sie die ganze Woche kein einziges Frühstück im Bett gehabt.«
»Demnach haben sie und Peele ein Krämchen.«
Der possierliche Euphemismus ließ Rich lachen und Tiler den Mund verziehen. »Ja«, sagte Rich. »Exakt. Aber nur, weil Jeffrey der Verwaltungschef ist. Wenn sie eine neue Position schaffen würden, die noch über dem Verwaltungschef rangiert, würde Alice sofort ihre Matratze einpacken und eine Tür weiterziehen. Egal wer auf dem Chefsessel sitzt, immer gibt es Frauen, die dauernd unter seinem Schreibtisch hocken und an den Nüssen in seinem Schoß knabbern.«
Das sagte er mit einer gewissen Verbitterung. Mir ging auf, dass Alice jünger war als Rich. Aber er stand in der Rangordnung unter ihr. Es war nicht abzusehen, welche Kriegsbeile hier begraben oder wie flach sie eingebuddelt waren.
»Weshalb haben Peele und Alice Streit?«, fragte ich im Versuch, beim Thema zu bleiben, ohne direkt auf das zu reagieren, was er gesagt hatte. Ich dachte, dass er sich möglicherweise in Alice irrte: Ich mochte sie nicht, aber sie kam mir nicht wie eine Frau vor, die jemandem ihre Spitzenunterwäsche vorführte, um in eine Spitzenposition zu gelangen.
»Ich denke, darüber sollten wir nicht reden«, sagte Tiler ein wenig verschnupft. »Das ist nur Klatsch. Niemand weiß mit Sicherheit, ob sie …«
»Ihretwegen«, unterbrach Rich, als wäre er überrascht, dass es gesagt werden musste. »Ihretwegen und wegen des Geistes. Jeffrey war dafür, jemanden zu holen, um etwas dagegen zu unternehmen, als er im Oktober zum ersten Mal erschien. Aber Alice schaltete auf stur und meinte, wir würden träumen und da sei nichts. Mein Gott, war sie arrogant im Oktober, als die Sichtungen aufhörten! Aber dann fingen sie wieder an, und ich bekam dies verpasst« – er berührte die Bandage in seinem Gesicht –, »und Jeffrey sagte: Gut, jetzt müssen wir etwas tun. Aber Alice sagte noch immer Nein, und am Ende rief er Sie, ohne sie auch nur zu fragen.«
»Das muss für sie sehr peinlich gewesen sein«, meinte ich.
Rich nickte heftig und sah aus, als genösse er die Erinnerung daran. »Ja, das können Sie laut sagen. Ich meine, im Grunde ist sie die Herrin im Haus, während Peele sich in seinem Büro verbarrikadiert, und wenn er diesen Bilbao-Job kriegt, dann ist sie für den Chefsessel vorgesehen. Dass er ihr widersprach … ließ sie vor uns anderen dumm dastehen. Vor allem, weil er es tat, indem er Sie einfach anrief, anstatt ihr von Angesicht zu Angesicht zu erklären, sie habe unrecht. Er kann ihr nur hinter ihrem Rücken Paroli bieten, verstehen Sie?«
Ich erinnerte mich, dass Peele Bilbao erwähnt hatte: Irgendetwas über eine Reise, die er dorthin unternehmen wollte … ich fragte Rich, um was es dabei gehe.
»Er kriecht dem Guggenheim in den Arsch«, sagte der voller Abscheu. »Wenn er Kunsthistoriker ist, dann bin ich der Erzbischof von Canterbury. Aber er stellt sich ihnen für Vorträge zur Verfügung und ist mit den Kuratoren dort richtig dicke. Sie haben ihn morgen zu einem Schwätzchen eingeladen, von dem er hofft, es sei in
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