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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Giebel, Erkerfenster« und so weiter. Neben jedem Objekt war ein Kästchen zum Ankreuzen. Das erste Objekt, das bereits ein Kreuzchen hatte, war »Mein Partner«.
    Ich kehrte wieder zur Arbeit zurück, zufrieden zur Kenntnis nehmend, dass Jon seine Schuld abarbeitete. Erneut verlor ich mich in den weichen Netzen und der unscharfen Logik der Vergangenheit, mein Geist ausgesetzt in einem formlosen, aber verlockenden selbst geschaffenen Ereignisstrang. Stunden verstrichen unterschiedslos, und ich wühlte mich stetig durch die Kartons. Variationen über ein Thema: die gleiche alte Brühe von Emotionen, zu dünn, um sättigend zu sein, zu fade, um anzuregen.
    Als ich das nächste Mal auftauchte, führte mich eine Veränderung des Lichts zurück zu dem trüben Wintertag, der sich bereits neigte. Ich sah auf die Uhr. Es war weit nach siebzehn Uhr, und ich hatte noch immer sechs Kartons vor mir, die durchsucht werden mussten. Wichtiger noch, ich hatte nicht gefunden, was ich suchte. Nirgendwo auf all den Papieren, die ich berührt hatte, war eine Witterung oder ein Eindruck von dem Geist, dem ich begegnet war.
    Mein Instinkt gebot mir, mich weiter bis ans Ende der Straße durchzukämpfen, aber die Melancholie des Ortes sickerte in mich ein wie tatsächliche Kälte. Die Kinder bei ihrer Schatzsuche zu sehen hatte meine psychischen Reserven ein wenig aufgefrischt, aber die Wirkung hatte schnell nachgelassen. Außerdem rückte das Ende der Öffnungszeit des Archivs näher. Wenn ich noch länger bleiben wollte, musste ich dafür sorgen, dass jemand da war, der hinter mir abschloss. Daher gähnte ich und reckte mich, stand mit steifen Gliedern auf und begab mich mit einigem Widerwillen auf die Wanderung zurück zum Arbeitsraum.
    Außer Alice war die gesamte Truppe anwesend. Cheryl und Jon tippten an ihren Rechnern, während Rich eine Namensliste von einem alten Dokument in sein Notizbuch übertrug. Ich sah auch einen rothaarigen Mann, den ich nicht kannte, der an einem Kopierer beschäftigt war. Er gehörte zu dem Kontingent Hilfskräfte, und Cheryl stellte ihn mir als Will vor.
    »Erfolg?«, fragte Rich.
    »Bislang nicht«, gestand ich. »Ich arbeite daran. Hat es heute eine Sichtung gegeben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Im Westen nichts Neues.«
    »Nun, manchmal, wenn etwas die normale Routine eines Ortes stört, hören die Erscheinungen für einige Zeit auf.« Ich war gewöhnlich nicht so geschwätzig, aber ich schob den Augenblick der Wahrheit vor mir her. Alice Bericht zu erstatten, würde kein Spaß werden. »Geister sind meist auf Routine fixiert – einige hängen für Jahrhunderte immer am gleichen Ort herum und zeigen sich um Punkt Mitternacht. Aber wenn man nur die Tapete wechselt, sind sie verloren.«
    Cheryl merkte bei dieser Unterhaltung über Geister auf. »Was ist mit den gewalttätigen?«, fragte sie. »Haben die auch eine Routine? Ich meine, verhalten sie sich entsprechend? Gibt es Serienmördergeister?«
    Pikiert hob Rich seinen verletzten Arm. »He, das ist real, Cheryl«, sagte er. »Leute werden verletzt. Können wir nicht darüber reden, als wäre es ein Rollenspiel?«
    Cheryl war bockig. »In Ordnung, aber es wäre interessant, oder? Vielleicht steckt das hinter dem Sick-Building-Syndrom. Es sind nur Geister, die man nicht sehen kann und die einem schaden.«
    Rich öffnete den Mund, um zu reden, doch dann besann er sich eines Besseren und schüttelte nur den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen. Er wandte sich mit mürrischer Miene zu seinem Keyboard um.
    »Ja«, sagte ich zu Cheryl. Ich hatte Mühe, nicht zu lachen. Rich hatte alles Recht, gekränkt zu sein, aber es war schwer, in Cheryls Gegenwart ernst zu bleiben, wenn sie es derart darauf anlegte, mit gedankenlosen Einwürfen Aufsehen zu erregen. Ich begann, sie immer mehr zu mögen. »Manchmal wiederholen sie die gleichen Handlungsweisen immer wieder. Sie müssen allerdings sehen, dass die Prüfgruppe höchstwahrscheinlich zu klein ist, um Rückschlüsse zuzulassen. Die Anzahl der Geister, die die Lebenden angegriffen haben, ist winzig – wenn man die Legenden und notorischen Lügner aussortiert.«
    Mir wurde plötzlich klar, dass beide an mir vorbei zur Tür schauten. Ihren Blicken folgend wandte ich mich um und sah, dass Alice sich wieder angeschlichen hatte, wie schon am Vortag.
    »Das ist die eigentliche Herausforderung, nicht wahr?«, fragte sie milde.
    Liebenswürdig gab Tiler ihr das gewünschte Stichwort. »Was meinen Sie, Alice?«
    »Das

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