Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
den Rechner eingeben?«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Einige Leute tun das, aber es ist Quatsch. Es ist besser, zuerst handschriftliche Notizen zu machen, bis man weiß, was man vor sich hat. Eine Masse von Dateien durchzugehen, die man schon eingegeben hat, um am Ende bei allen eine winzige Kleinigkeit zu verändern – ich will noch nicht einmal darüber nachdenken.«
»Könnten Sie das nicht jemand anders machen lassen? Eine Katalogredakteurin vielleicht?«
Rich sah mich an, als glaubte er, ich wolle ihn verarschen. »Wenn ich will, dass Cheryl meinen Job übernimmt, dann frage ich sie direkt«, sagte er. »Wie auch immer, die Dateien sind im persönlichen Bereich gespeichert, während ich sie anlege und bearbeite. Sie kommen nicht in den öffentlich zugänglichen Katalog, ehe sie nicht ein A2 – ein leitender Archivar – genehmigt und unterschrieben hat.« Sein Gesicht verfinsterte sich für einen Augenblick, wahrscheinlich wegen der Ungerechtigkeiten des Machtgefüges und seiner eigenen Position darin. Aber er schaffte es, einen lockeren Tonfall beizubehalten, als er weitersprach. »Wie sieht das heutige Programm aus?«
Nun war ich an der Reihe, ein finsteres Gesicht zu machen. »Ich werde jeden dieser Briefe und Briefumschläge und jede Geburtstagskarte und Wäscheliste durchgehen, bis ich eine – oder vielleicht auch mehr als eine – finde, die eine Art emotionales Echo Ihres Geistes von sich gibt. Das benutze ich, um die Spur deutlicher zu machen, die ich bereits habe.«
Rich war voller Wissensdurst. »Wie ein Spürhund?«
»Das ist nicht sehr schmeichelhaft, aber ja, wie ein Spürhund – indem ich mit einem Gegenstand anfange und der Spur zu dem folge, dem es einmal gehört hat.«
»Cool. Lohnt es sich zuzusehen?«
Ich lachte betrübt. »Wie viele Artikel befinden sich in den Kartons?«
»Äh … vier- oder fünftausend, möglicherweise mehr. Wir sind nicht sicher.«
»Ich überlasse es Ihnen, sich den aufregenden, leicht verkommenen Anblick meiner Wenigkeit beim Streicheln und Befummeln jedes einzelnen Stücks davon vorzustellen.«
»Bis später!«
»Klar.«
Er machte kehrt und ging. Ich zog den ersten Karton heran und fing an.
Die Spur, die ich aufnahm, wenn ich ein Objekt berührte, war nicht die gleiche wie ein sofortiger Informationsblitz, den ich beim Kontakt mit einer lebenden Person spüre. Sie war viel delikater und weniger klar, und um ehrlich zu sein, war es um einiges weniger wahrscheinlich, dass sie überhaupt vorhanden war. Bedenken Sie, wie viele Dinge man im Laufe eines Tages berührt und wie wenige eine Bedeutung für Sie haben. Nun, wenn jemand einen Hammer nahm und ihn, sagen wir, dazu benutzte, um Ihnen den Schädel einzuschlagen, dann war zu erwarten, dass die explosive Entladung seines Zorns und Ihres Schmerzes noch lange im Holz oder vulkanisierten Gummi des Hammerstiels erhalten blieben. Wenn dann jemand wie ich daherkam und den Stiel berührte – peng! Die Ladung ging hoch. Ich spüre Ihren Schmerz, wie man so schön sagte.
Aber die meisten Dinge, die man berührte, trugen keine solche Bedeutung in sich – und um das Ganze noch zu erschweren, würde dasselbe Objekt nach Ihren auch noch durch viele andere Hände gehen. Je älter das Objekt, mit dem man es zu tun hatte, desto unsauberer und vager war die psychische Spur, und dann bildeten sozusagen als Beilage, während ein Exorzist versuchte, das Objekt zu lesen, seine eigenen Emotionen eine weitere Schicht auf all dem, was bereits dort war. Alles in allem war es, als versuche man, von einem schmelzenden Eiswürfel einen Fingerabdruck zu nehmen.
Aber unter den richtigen Bedingungen war dies etwas, worin ich richtig gut war. Ich kippte den Inhalt des Kartons auf den Tisch und breitete ihn mehr oder weniger gleichmäßig aus. Dann fuhr ich mit der linken Hand ganz leicht über die Kollektion, die Handfläche nach unten, als wären meine gespreizten Finger die Stahlschleifen am Ende von fünf Metalldetektoren. Ich nahm mir Zeit, ließ meine Hand über dem ausgebreiteten Schatz alter Briefe und Postkarten hin und her und vor und zurück wandern. Allmählich entstand in meinem Geist eine Wahrnehmung: ein dreidimensionales Netz – mit der Zeit als Y-Achse – aus vagen und formlosen Gefühlen, fast bis zur Unleserlichkeit ausgebleicht und miteinander verschmolzen. Eine geschmacksneutrale Brühe aus Erinnerung und Emotion.
Als ich diesen Sinneseindruck fest in meinem Geist verankert hatte, brachte ich die
Weitere Kostenlose Bücher