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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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einer Flucht mit den anderen Räumen auf der linken Korridorseite, doch höchstwahrscheinlich ein wenig kleiner. Dort hatte sich mein Widersacher versteckt – nachdem er eine andere Tür im Hauptkorridor geöffnet hatte, damit ich ihm den Rücken zuwandte, ehe ich ihn erreichte. Ein listiger Bursche. Clever, ängstlich und nur ein wenig verzweifelt. Jemand, der den Vorteil genutzt hatte, dass das Archiv auch noch nach den offiziellen Besuchsstunden geöffnet war, um sich zurückzuschleichen und … nun, was zu tun?
    Ich ging zu der Tür. Sie ließ sich wie alle anderen öffnen, und ich fand einen intakten Lichtschalter. Ich sah einen Raum, der sich nicht von den anderen unterschied, die ich schon gesehen hatte. Diesmal keine Regale, sondern ein dicker Stapel Aufbewahrungsboxen, mit einer Kordel zusammengebunden und an eine Wand gelehnt. Auf dem Boden lagen eine Rolle Paketklebeband und ein Supermarkt-Plastikbeutel, der, wie eine kurze Inspektion ergab, mit anderen Plastikbeuteln vollgestopft war. Nichts Interessantes. Möglicherweise hatte sich der Typ nur vor mir zurückgezogen, als ich die Treppe heraufkam, bis er keine weitere Fluchtmöglichkeit hatte und herauskam, um sich einen Weg freizukämpfen. Es hieß ja, man solle sich stets in Acht nehmen, wenn man Ratten in die Enge trieb.
    Aber da war ein Spind. Ich entdeckte ihn erst, als ich wieder gehen wollte, denn es war ein niedriger Spind, und er stand völlig versteckt hinter der Tür. Ich zog am Türgriff – verschlossen. Wahrscheinlich befand sich der passende Schlüssel an Alice’ Schlüsselring, aber meine Hände zitterten noch von meinem Beinahe-Absturz, und es könnte einige Zeit dauern, bis ich ihn fand – mit dem Risiko, dass jemand unten im Haus dort Licht sehen würde, wo eigentlich keins brennen durfte, und falsche Schlüsse zog. Alles in allem war es sicher besser zu warten.
    Ich ging nach unten, verließ das Haus und schloss ab. Ich wollte Alice’ Schlüssel und Kennkarte durch den Briefschlitz schieben, aber ich gab der boshaften Versuchung nach und steckte beides zurück in die Tasche. Man konnte nie wissen.
    Ich hatte die Absicht heimzugehen, schlug aber aus irgendeinem Grund die Richtung nach Süden anstatt nach Norden ein. Kurz nach dem Russel Square fand ich eine Bar, die noch geöffnet hatte, ging hinein und bestellte einen Whisky Sour.
    Ich war todmüde und konnte nicht klar denken, aber der Erfolg meines nächtlichen Besuchs im Archiv hatte meine wildesten Träume übertroffen. Es war kein verrückter Zufall gewesen, der mich in die Seile des Baustellenflaschenzugs verwickelt hatte. Sie war es gewesen, und indem sie sich um mich gelegt hatte, war sie mir so nah gekommen, dass ich gar nicht versäumen konnte zu kriegen, was ich brauchte. Ich hatte sie jetzt als vieldimensionales Bild in meinem Geist – ein plastischer Schnappschuss von ihrer Identität und ihren Parametern, der unübersetzbar war außer in Musik, und das konnte ich genauso wenig vergessen wie meinen eigenen Namen.
    Ich prostete mir wortlos selbst zu. »Sie denken, alles sei vorbei«, sagte Ken Wolstonholmes Stimme tief in den staubigen Archiven in meinem Kopf.
    Nun, jetzt war es das.

11
    D a drüben«, zischte John Gittings. »In der Ecke, hinter der Hecke.«
    Ich schaute in die Richtung, in die er deutete, und sah nichts. Aber dann, eine Sekunde später, raschelten die Blätter der Buchsbaumhecke erneut, obgleich nicht der leiseste Wind wehte. Einer der Wärter hob seine Flinte, und ich drückte sie wieder nach unten.
    »Sie wissen noch nicht mal, was Sie treffen würden«, flüsterte ich. »Sie stünden ziemlich dumm da, wenn es ein Pfau ist.«
    John und ich wechselten einen Blick, während der Wärter seine Schusswaffe mit erkennbarem Bedauern sicherte. »Zangentaktik?«, fragte John.
    »Sinnvoll«, sagte ich. »Ich werde ums Zebra-Haus herumgehen und die Rückwand als Deckung nutzen. Du kommst auf dieser Seite an der Hecke entlang, aber wage dich nicht zu dicht heran. Wenn ich um die Ecke komme, müssten wir einander sehen. Ich gebe dir das Startzeichen, und wir fangen beide synchron an zu spielen.«
    John nickte knapp. Ich drehte mich zu dem Chef-Wärter um, einem Herrn namens Savage. Er trug keine Schusswaffe und war dem Anschein nach der einzige Angehörige des Zoopersonals, der nicht Buffalo Bill spielen wollte. »Die Musik müsste ihn auf Sie zutreiben«, sagte ich. »Er wird nicht hinter der Hecke bleiben, weil er zu starke Schmerzen haben wird. Wenn wir

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