Felsen der Liebe
misstrauisch.
“Nein.” Guy zuckte die Schultern. “Ich dachte nur, dass du vielleicht einen Freund hast und deswegen nicht für sechs Monate aus London weggehen willst.”
Während Meg seinen Blick erwiderte, fragte sie sich, ob Guy wirklich so naiv war, um nicht zu wissen, dass er der Grund dafür war.
“Und? Hast du einen Freund?”, erkundigte er sich mit einem spöttischen Unterton.
“Natürlich habe ich einen Freund. Mehrere sogar. Wusstest du nicht, dass Männer ganz scharf auf allein erziehende Mütter über dreißig sind? Und wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich jetzt gehen”, fügte sie hinzu und stand auf. “Mein Zug fährt nämlich bald.”
“Ich komme mit nach London.” Guy erhob sich ebenfalls und nahm ihre kleine Reisetasche, bevor er Meg aus dem Pub folgte. “Am besten frage ich Maxine gleich.”
Auf der Straße blieb Meg abrupt stehen. “Musst du denn nicht arbeiten?” Sie machte aus ihrem Ärger keinen Hehl.
“Heute nicht. Ich habe mir freigenommen.”
“Das hast du von Anfang an vorgehabt, stimmt ‘s?”
“Sicher. Überrascht es dich etwa?”
“O nein!”, fuhr sie ihn an. “Wie raffiniert von dir!”
Guy zog die Augenbrauen hoch und zuckte dann die Schultern. “Heron’s View ist mein Zuhause, seit ich klein war. Ich möchte es behalten.”
Obwohl das wie eine nüchterne Feststellung klang, versuchte Meg, sich in seine Lage zu versetzen. Zum ersten Mal begann sie, ihn zu verstehen. Seine Mutter hätte das Haus allein ihm vererben können, doch sie hatte Jack offenbar nicht benachteiligen wollen. Dennoch war klar, wer Caroline nähergestanden hatte.
“Mein Auto steht da hinten”, erklärte Guy unvermittelt, bevor er weiterging. “Ich lasse es am Bahnhof.”
Meg seufzte resigniert und folgte ihm. Vermutlich war es das Beste, alles noch an diesem Tag zu klären. Wenn sie sich nun weigerte, mit ihm zusammen nach London zu fahren, würde er an einem anderen Tag kommen – und zwar unangemeldet –, und das wäre noch unangenehmer gewesen.
Während der Zugfahrt sprachen sie kaum miteinander, zumal sie nicht allein im Abteil waren. Während Guy in die
Times
vertieft war, versuchte Meg, sich auf den Roman zu konzentrieren, den sie mitgenommen hatte. Sie musste jedoch immer wieder an Maxine denken und daran, wie ihre Tochter wohl auf die Neuigkeit reagieren würde. Vermutlich positiv, denn welches Kind wäre nicht hellauf begeistert angesichts der Vorstellung, irgendwann einmal ein Vermögen zu erben? Trotzdem hoffte Meg, dass Maxine der Versuchung widerstehen würde.
Gegen Mittag gingen Meg und Guy in den Speisewagen, um etwas zu essen. Sie wollte eigentlich nur ein Sandwich nehmen, doch er überredete sie, etwas Warmes zu bestellen.
“Willst du nichts essen?”, erkundigte er sich, als sie lustlos in ihren Spaghetti herumstocherte.
“Ich habe keinen Appetit”, erwiderte sie.
“Kein Wunder, dass du so dünn bist.” Er schob seinen leeren Teller zurück.
“Ich war schon immer dünn”, verkündete sie trotzig.
“Das stimmt nicht.” Guy ließ den Blick über ihren Körper schweifen, bevor er ihr wieder in die Augen sah.
Sie errötete unwillkürlich, weil sie genau wusste, woran er dachte. Damals war sie nicht dünn gewesen. Nach ihrer ersten Schwangerschaft hatte sie weiblichere Formen bekommen, und im Gegensatz zu Jack hatte Guy ihre Kurven gemocht.
“Deinem Freund gefällst du anscheinend so”, fuhr er fort.
Meg hatte keine Lust, ihm zu erzählen, dass sie gar keinen Freund hatte. Schließlich ging es ihn nichts an.
“Können wir nicht das Thema wechseln?”, schlug sie vor.
“Wie du willst.” Er zuckte die Schultern. “Singst du noch?”
“Ob ich noch singe?”, wiederholte sie verblüfft.
“Soviel ich weiß, hast du mal als Background-Sängerin in einem Plattenstudio gearbeitet.”
“Das ist schon lange her.” Es lag fast fünf Jahre zurück, und obwohl sie dabei ganz gut verdient hatte, hatte sie nur unregelmäßig Aufträge bekommen. “Woher weißt du das? Von Jack?”
Guy schüttelte den Kopf. “Meine Mutter hat es mir erzählt – nach einem ihrer Treffen mit dir in London.”
“Ich dachte …”
“Du dachtest, sie hätte es für sich behalten?” Er lächelte spöttisch. “Jack hat sie nichts davon gesagt, aber sie ist nicht auf die Idee gekommen, dass du auch für mich tabu wärst.”
Verlegen wandte sie den Blick ab. Sollte das etwa ein Vorwurf sein? Guy hatte sie begehrt, und er hatte mit ihr geschlafen. Und was
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