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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Echtzeitaufnahme begann, als Siegfried Schäfer gerade umständlich erklärte, wie man das Alter eines Baumes auf einen Blick erkennen konnte. Beissle fachsimpelte mit Gudrian über die neuesten Entwicklungen im Scheidungsrecht. Auch Oberregierungsrat Beppo Prallinger war zu hören, was allen einen Schauer über den Rücken jagte.
     
    »Ach, ein gemütlicher Job … nichts Besonderes … ich verwalte ein paar Liegenschaften … ich warte eigentlich nur auf meine Pension …«
     
    Dann Schritte, wegspritzende Steine und mehrstimmiges Keuchen. Jeder der Ermittler dachte das Gleiche: Einer dieser vierzehn Wanderer konzentrierte sich gerade auf sein perfides Vorhaben, die restlichen dreizehn ahnten nicht, dass ihnen gleich etwas Entsetzliches bevorstand.
     
    Schäfer erhob erneut die Stimme, das Getrappel hörte schlagartig auf. Gezwitscher, Geflatter, Gepiepse, Gemurmel. Dann eine Pause.
     
    Nehmt mal schnell eure Ferngläser … Da, am Himmel, da ist das Steinadlerpärchen … es ist vor ein paar Jahren hier ausgewildert worden … Wusstet ihr, dass ein Steinadler Beutestücke bis zu fünfzehn Kilo tragen kann? …
     
    Dann wieder kleine Unterhaltungen. Über einen Käfer, der über den Weg krabbelte, über die herrliche Aussicht, über das Glück mit dem Wetter, über Schorsch Meyers Eheprobleme. Viskacz erzählte von einer Performance, Dietrich Diehl hatte seine Wasserflasche beim letzten Halt vergessen und musste ein paar Meter zurücklaufen, Uta Eidenschink stimmte ein Wanderlied an.
     
    »Überraschung! Auf den Boden! Legt euch hin! Schnell!«
     
    Alle Ermittler hielten den Atem an, als plötzlich die knarzende Megaphonstimme ertönte. Die Geiselnahme begann. Schreie, vereinzelte Wortfetzen. Dazwischen Gelächter, das bald verstummte. Nicole spulte die Aufnahme mehrmals zu der Stelle zurück, als die Megaphonstimme das erste Mal deutlich und ohne Nebengeräusche zu hören war.
     
    »Ich weiß, dass ihr euch jetzt fragt, wer ich bin …«
     
    »Keine Chance, die Stimme zu erkennen«, sagte Stengele. »Da muss Becker ran.«
    »Aber das wird einige Tage in Anspruch nehmen«, sagte Jennerwein. Die Ungeduld war aus seinen Worten herauszuhören. Sie hatten sich viel von der Aufnahme erwartet, mussten aber von Minute zu Minute deutlicher erkennen, dass sie wahrscheinlich keine sofort verwertbaren Ergebnisse brachte. Wertvolle Zeit verfloss.
     
    Niemand beachtete die neueste Karikatur, die an der Wand hing. Es war die von Nicole Schwattke, der Recklinghäuserin. Sie steckte in einer überdimensionalen Lederhose, die ihr etwa zwanzig Nummern zu groß war. Darunter war zu lesen:
Eine Westfälin wächst über sich hinaus
. Die meisten hatten die Augen geschlossen, um sich besser auf die Aufnahme konzentrieren zu können. Dort war gerade das Säuseln eines kleinen Windes zu hören, der ein böses, leises Lied pfiff. Plötzlich eine Stimme aus einiger Entfernung:
     
    »Lass ihn los! Lass ihn endlich los! Ja, ich rede! Ich bin bereit zu reden! Ich sage, was du wissen willst! Lass ihn los und komm her!«
     
    Es war die schmerzverzerrte Stimme Prallingers. Dann Aufruhr, Schmerzenslaute, wildes Durcheinanderschreien, wie bei einer Schlägerei. Schließlich hörte man einen markerschütternden Schrei, den Schrei Jakobis, der immer leiser wurde und sich schließlich in der Tiefe verlor.
     
    Dann zischte nur noch der Regen.

58

    »Da schau hin, das Grab vom Reuschl Toni! Das haben die aber ziemlich herunterkommen lassen!«
    Wie jeden Tag gingen Ursel und Ignaz auf dem Friedhof spazieren. Diese liebe Gewohnheit war noch ein Relikt aus ihrer Zeit als Bestattungsunternehmer, hier konnten sie sich am besten entspannen und über zukünftige Projekte nachdenken. Darüber hinaus war der Friedhof ein durchaus abhörsicheres Stückchen Land. Sie hatten hier schon einige brisante Treffen und Besprechungen durchgeführt. Aber das alles war natürlich für die Graseggers kein Thema mehr, hatten sie sich doch vorgenommen, sauber zu bleiben in ihrer neuen bürgerlichen Existenz. Ignaz ließ seinen Blick über ein paar Grabreihen schweifen.
    »Schade, dass wir auf unserem schönen Friedhof keine erstklassigen Kaliber liegen haben. Das würde Touristen anziehen, mein lieber Schwan!«
    »Du meinst so richtige Weltberühmtheiten? Aber wir haben doch ein paar –«
    »Ja, einige große Künstler und Wissenschaftler sind hier schon beerdigt, aber uns fehlt so ein richtiges Schwergewicht. So eines wie der Kafka in Prag oder der

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