Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
sagte nichts dazu. Auch er hatte sich gewundert, wie schnell Dr. Rosenberger am Tatort war. Es war ein furchtbarer Fall. Man konnte niemandem trauen.
»Halten Sie etwa die Staatsanwältin für die Täterin?«
»Wenn Sie die Täterin war, dann hat sie das alles exzellent gespielt. Und gerade daran glaube ich nicht. Sie war schon im Schultheater keine gute Darstellerin. Schultheatergruppe bei Mathelehrer Schirmer.
Die Rampensäue
, lang ists her. Sie hat eine Hauptrolle bekommen. Ich sehe sie noch heute da stehen.
Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang …
Viel zu übertrieben gespielt. Eine richtige Knallcharge. Ich glaube nicht, dass sich ihre schauspielerische Fähigkeit enorm verbessert hat.«
»Sie mögen sie wohl nicht, Hubertus?«
»Nein, nicht besonders. Sie spielt falsch. Ich glaube allerdings nicht, dass sie die Täterin ist.«
»Was hatten Sie selbst denn für eine Rolle damals bei der Shakespeare-Aufführung?«, fragte Nicole.
»Keine Hauptrolle. Eine untergeordnete Nebenrolle. Ich habe einen Diener gespielt. Und dabei ist es ja bis heute auch geblieben.«
»Aber Hubertus!«, entrüstete sich Maria. »Erlauben Sie mal!«
Jetzt begann der furchtbar mühsame und unspektakuläre, aber umso härtere Teil des Polizeialltags. Sie studierten die Protokolle und verglichen sie miteinander. Sie suchten nach Widersprüchen und Auffälligkeiten. Sie fanden nichts, was sie weiterbrachte. Schimowitz rief an. Die SEK ler hatten das Gebiet noch einmal sorgfältig durchforstet: keine verdächtigen Personen. Der Chef der Bergwacht kam persönlich vorbei: keine fluchtgeeigneten Treibsandstellen. Auch Hölleisen, der arme, entstellte Franz Hölleisen, konnte von seinem Beobachtungsposten aus keine weiteren Vorkommnisse melden. Die Stimmung im Team sank.
»Wir müssen sie bald gehen lassen«, sagte Jennerwein müde. »Antonia Beissle hat recht. Wir haben nichts gegen sie in der Hand. Wenn wir weiter Druck ausüben, werden sie sauer. Das lässt sich keiner gefallen, nach solch einer Tortur auch noch als Verdächtiger behandelt zu werden. Es sind ohne Ausnahme Leute in gesellschaftlichen Positionen, die ihnen erlauben, zurückzuschlagen. Sie haben Beziehungen zu Ämtern, Pressestellen und Entscheidungsträgern. Und uns läuft die Zeit davon! Wir können immer noch niemanden ausschließen. Nicht einmal diesen siebzigjährigen Geocacher. Mit einer Waffe rumfuchteln kann man in jedem Alter.«
»Kann man Schäfer durch seine Größe ausschließen?«, fragte Ostler. »Er überragt alle um einen Kopf.«
»Nein«, sagte Maria. »Ronni Ploch sagte sogar aus, dass der Täter sehr groß gewesen sei. Aber das nehme ich ihm nicht ab. Die Geiseln lagen alle am Boden, befanden sich zudem in einer furchtbaren Stresssituation. Eine Abschätzung der Größe ist in solch einer Lage nicht möglich.«
»Ich kann Ihnen nur beipflichten«, sagte Jennerwein. »Ich war gestern in der Situation. Ich habe im ersten Augenblick nicht einmal Kommissar Stengele erkannt.«
»Im Ausschlussverfahren kommen wir nicht weiter«, fuhr er entschieden fort. »Wir müssen es von einer anderen Seite anpacken. Wir brauchen das Motiv. Der Geiselnehmer hat eine Information erpresst. Von Jakobi, von Prallinger, vielleicht auch von einer der übrigen Geiseln – in diesem Fall waren die beiden nur seine Druckmittel. Er bekommt die Information. Was kann das sein? Wahrscheinlich ist sie viel Geld wert. Sehr viel Geld. Die berechtigte Frage lautet nun tatsächlich, warum ein derartiger Aufwand betrieben wird. Warum die Information nicht unten im Tal erpressen? Ohne Zeugen? Die Antwort lautet: weil das zu gefährlich für ihn ist. Das würde uns Ermittler sofort, auf alle Fälle zu schnell, auf seine Spur führen. Aus irgendeinem Grund, den wir noch nicht kennen, braucht er Zeit. Er braucht ein paar Stunden, um die Information nutzen zu können und seine Sache zu Ende zu bringen. Und so lange hält er uns hin. Er beschäftigt uns quasi. Unsere Ermittlungen gehen in mehrere Richtungen, wir verbrauchen viel Zeit, Energie und Personal – und genau das gibt ihm den Spielraum, den er benötigt.«
Lähmende Stille breitete sich aus. Alle erkannten, dass Jennerwein recht hatte. Plötzlich hörten sie Stimmen vor der Tür. Eine Krankenschwester steckte den Kopf herein.
»Sind Sie das Polizeiteam? Da will Sie jemand sprechen.«
Jennerwein winkte. Die Krankenschwester trat zurück und gab den Weg frei
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