Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Wagner in Bayreuth.«
Die Graseggers kannten sich aus. Sie hatten vor kurzem mit der Planung ihrer lang ersehnten Friedhofs-Städtereise durch Europa begonnen. Bei den Recherchen für diese Gruft- und Sensen-Ralley hatten sie viel Erhebendes und Anregendes entdeckt.
»Natürlich liegt bei uns kein Wagner und kein Kafka«, sagte Ignaz. »Die waren ja alle nicht da. Die sind ja immer am Kurort vorbei- und zum Gardasee runtergefahren. [3] Wenn die unseren Viersternefriedhof gesehen hätten! Da hätte sich mancher ein kleines 2 -mal- 3 -Meter-Stückerl Land für den erweiterten Ruhestand gekauft.«
Ignaz dachte wohl schon an eine bürgermeisterliche Initiative, wie man Touristen auch auf diese Weise in den Kurort locken könnte. Ursel riss ihn aus seinen Gedanken.
»Du, sag einmal, Ignaz, das mit dem verschollenen Dokument, das die Reichsunmittelbarkeit von unserem Landel beweisen würde, das lässt mir einfach keine Ruhe. Gut, wahrscheinlich gibt es das Dokument gar nicht mehr. Aber wenn es versteckt wurde, dann könnte es doch sein, dass es hier in der Gegend versteckt worden ist? Meinst nicht? Das ergäbe doch einen Sinn. Warum soll es in Rom oder Aachen oder wer weiß wo sein? Es geht doch um das Werdenfelser Land, dann wäre es doch logisch, wenn es auch da wäre.«
»Und wo genau?«
»Die katholische Kirche hat ihre geheimen Dokumente jahrhundertelang in leeren Gräbern versteckt. Der Papst Sisinnius hat in seiner Amtszeit solche Schattengräber anlegen lassen. Eines gibt es zum Beispiel bei San Felice am Gardasee. Die meisten davon wurden allerdings im burgundischen Raum, in der heutigen Schweiz, entdeckt. Sie dienten als Tresore für wichtige Dokumente und Wertgegenstände. Man konnte sie über den Grabstein öffnen, sie besaßen aber meist auch einen zweiten verschwiegenen Zugang über einen kleinen Kriechtunnel.«
»Aber du glaubst doch nicht etwa, dass es so ein Schattengrab auf unserem Friedhof gibt? Wenn es das gäbe, dann wären wir doch die Ersten, die davon wüssten, meinst nicht?«
»Ja, grüß euch, Ursel und Ignaz! Brütet ihr schon wieder was aus? Weil ihr gar so eifrig miteinander diskutiert?«
Ein guter Bekannter, der Huberbauer Toni, war ihnen entgegen gekommen.
»Was sagts jetzt ihr zu der Kramergaudi gestern?«
»Grüß dich, Toni. Was für eine Gaudi? Wir haben halt ein paar Hubschrauber gesehen. Halbschuhtouristen in Bergnot, oder?«
»Naaaaa! Da war eine Geiselnahme! Ich war hautnah dabei. Ich war in der Notaufnahme vom Krankenhaus wegen einem Zeckenbiss, da sind sie auf einmal an mir vorbeigerauscht, die Sanitäter mit ihre Wagerl. Insgesamt dreißig oder vierzig Leute waren es. Vielleicht auch fünfzig. Einer hat schlimmer als der andere ausgeschaut!«
Die Seiferer Burgl hatte sich dazugesellt.
»Also, ich hab gehört, dass es auch einen Toten gegeben hat. Den Prallinger Beppo. Kennt ihr den?«
»Den Prallinger Beppo?«, sagte Ignaz. »Von den Prallingers aus der Badgasse?«
»Nein, oder doch, das kann schon sein, ich weiß es auch nicht so genau. Es sollen jedenfalls lauter Freunde vom Jennerwein gewesen sein, die Geiseln.«
Mehr wusste sie auch nicht, die Seiferer Burgl.
Die Graseggers verabschiedeten sich von den beiden.
»Prallinger?«, sagte Ursel. »Den Namen hab ich gestern gehört, ich weiß bloß nicht mehr, in welchem Zusammenhang.«
»Der war früher mit mir beim Kinderturnen«, sagte Ignaz. »Der ist aber dann in die Stadt gezogen.«
»Jetzt hab ichs!«, rief Ursel. »Ich habe doch gestern Nachmittag bei den Ämtern rumgefragt wegen alter Verträge und Rechtsvorgänge, die auch dann gültig sind, wenn die Administration wechselt. Vom Bayrischen Staatsarchiv haben sie mich freundlich weitergeleitet ins Finanzministerium. Ich habe mir gedacht, was tue ich denn im Finanzministerium? Aber dann haben sie mich mit der Abteilung für Schlösser- und Seenverwaltung verbunden. Zuerst habe ich mir gedacht, das ist ein Irrtum, aber die nette Telefondame meinte, ich wäre schon richtig hier und diese Art von Verträgen, die würde der Herr Oberregierungsrat Prallinger bearbeiten. Aber der war außer Haus. Dann wollte die freundliche Dame meinen Namen wissen und meine Anschrift. Sie hat mich gefragt,
was
ich denn wissen will. Und
warum
ich das wissen will. Und ob ich nicht lieber persönlich vorbeikommen will. Das ist mir schon komisch vorgekommen. So eine Geheimniskrämerei wegen einer kleinen Auskunft zu einem Bürgermeisteramt! Aber dann hat sie gesagt, nur
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