Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
für ein Häufchen Elend. Es war Gunnar Viskacz. Er starrte das versammelte Team der Polizisten an, dann ließ er den Kopf sinken. Er setzte langsam Schritt vor Schritt, er war blass und atmete schwer.
»Komm näher«, sagte Jennerwein. »Setz dich.«
Viskacz nahm auf einem freien Stuhl Platz.
»Ich gebe auf«, sagte Gunnar Viskacz.
GUNNAR VISKACZ
Aktionskünstler
Hier ist mein Audiobeitrag. Klickt das mal an:
http://www.viskaczproductions.de
Viel Spaß beim Anhören
Euer Gunnar
57
»Ja, ich gebe es zu«, sagte Gunnar Viskacz. Er hielt den Kopf gesenkt, als böte er seinen Nacken einem scharfen Richtschwert dar.
Er machte eine große Pause. Und er war sich der Bedeutung dieser Pause durchaus bewusst.
»Was geben Sie zu?«, fragte Maria schließlich sanft und leise.
»Ich habe die ganze Gipfelgaudi
doch
aufgezeichnet. Ich wollte die Aufnahme eigentlich für mein neues Klangprojekt verwenden. Das wäre eine Sensation geworden! Aber ich sehe ein, dass ich Ihnen die Aufnahme überlassen muss. Es gibt diese herrlich kleinen Aufnahmegeräte, sie sind noch viel, viel kleiner als ein Handy. Und das Beste: Man sieht ihnen nicht an, dass es Aufnahmegeräte sind. Das war mein Glück gestern auf dem Berg. Wenn mich der Kerl damit erwischt hätte –«
Viskacz zog einen Hosenknopf aus der Tasche des Bademantels und legte ihn vor sich auf den Tisch. Alle beugten sich über das Wunder der digitalen Technik. Auch auf den zweiten und dritten Blick konnte man nichts anderes als einen Hosenknopf erkennen.
»Das ist ja der Wahnsinn«, rief Stengele aufgeregt. »Das könnte durchaus aus der Werkstatt von Q stammen! Sie haben damit den ganzen Tag aufgezeichnet? Es ist alles drauf? Das ist die Lösung!«
Alle Polizisten hielten den Atem an.
»Das wäre schön«, sagte Viskacz. »So ist es aber leider nicht. Auf diesem digitalen Hosenknopf ist lediglich das Verhör drauf, das Frau Doktor Schmalfuß mit mir vorhin geführt hat.«
Sie funkelte ihn böse an.
»Das war kein Verhör – klingt ja wie Folter. Wenn, dann war es eine Vernehmung. Es war aber lediglich ein Gespräch.«
»Wenn sie so weitermacht«, murmelte Stengele fast unhörbar, »dann wird noch
Vorsichtiges Abtupfen mit vorgewärmten Wattebäuschchen
daraus.«
Viskacz hob den Kopf.
»Wissen Sie, ich schneide immer alles mit. Auf Schritt und Tritt. Das ist mein künstlerisches Projekt.«
Er lächelte bescheiden.
»Es gibt einen neuen Trend in der postmodernen Klang-Performance: Bricolage. Es gibt keine Instrumente mehr. Die Welt ist Instrument genug. Und ich habe schon ganz andere gefährliche Situationen mitgeschnitten. Straßenschlachten, Polizeieinsätze, Kneipenschlägereien. Aber die Aufnahme auf dem Gipfel, die wurde mir langsam zu heiß. Je brutaler der Kerl sich aufführte, desto mehr brannte mir der Minirekorder in der Tasche. Er fraß sich direkt ein Loch in den Stoff. Deshalb habe ich ihn weggeworfen, als der Gangster wieder einmal hinter dem Felsen war. Ich habe ihn nach links in eine latschenbewachsene Felsmulde geworfen. Das Ding kann höchstens ein paar Meter gekullert sein. Mein wunderbares kleines Aufnahmegerät! Es ist wahrscheinlich total zertrampelt. Es hat ein Schweinegeld gekostet.«
»Sieht es aus wie dieser Hosenknopf?«
»Nein, wie ein knallrotes kleines Gummibärchen.«
»Polizeiobermeister Hölleisen am Apparat. Was gibts Neues?« »Wir suchen ein knallrotes Gummibärchen.«
»Wiederholen Sie das bitte.«
»Ein knallrotes Gummibärchen aus Hartplastik, das im Bereich der Position Viskacz einige Meter in Richtung Nordwest geworfen wurde und höchstwahrscheinlich in einem Latschenfeld gelandet ist«, sagte Jennerwein.
Stengele mischte sich ein.
»Achten Sie auch auf kleine, sandige Stellen. Dort könnte das Gummibärchen eingesunken sein. Fangen Sie schon mal an zu suchen. Wir schicken den Hubschrauber.«
Diesmal hatten sie Glück. Der Minirekorder war nicht weit gekullert. Er war tatsächlich ein paar Zentimeter in eine kleine Treibsandmulde eingesunken. Kein Murmeltier hatte ihn gefressen, kein Polizeiobermeister war mit den Bergstiefeln draufgetreten, auch der Spurensicherung war er entgangen. Das Gerät wurde mit dem Helikopter ins Polizeirevier gebracht. Nicole wusste, wie und mit welchem Adapter solch ein Minigerät an den Computer angesteckt werden konnte. Es konnte gar nicht anders sein: Diese Aufnahme musste den Täter entlarven! Gespannt setzten sich die Beamten um den Lautsprecher.
Die
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