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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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unendlich viele Möglichkeiten
, wie sich der alte Mathelehrer Schirmer immer auszudrücken pflegte. Eine Möglichkeit war der Computer. Das war zu naheliegend. Nicole und ein anderer Computerfreak von Becker saßen trotzdem schon drüber.
    »Schalten Sie Ihren analytischen Verstand aus«, rief Jennerwein den Teamkollegen zu. »Lassen Sie einfach die Eindrücke auf sich wirken.«
    Jennerwein selbst durchstreifte das Haus mehrere Male. Besonders die Gemälde passten nicht zu Prallinger. Es war ein wildes Stilgemisch, das er sich zusammengekauft hatte. Prallinger war kein Sammler gewesen. Der brave Prallinger, der arme Mopsi, hatte die Aufgabe, ein paar Informationen sicher zu verwahren. Wo hatte er Hinweise versteckt? In den Bildern? Mopsi war kein schlechter Naturwissenschaftler gewesen, in Mathematik hatte er sogar manchmal als Ass geglänzt. Das Problem mit der grasfressenden Ziege hatte er an der Tafel gelöst, Schirmer hatte ihm dafür eine Eins gegeben. Was hatte Schirmer gesagt?
Kryptologie ist die Kunst, eine Information so umzuwandeln, dass sie zwar für alle sichtbar, aber für niemanden lesbar ist.
Jennerwein betrachtete das Riesengraffito an der Wand der repräsentativen Eingangshalle. Es waren ineinander verschlungene Buchstaben, die Buchstaben des Alphabets, zu einem Klops zusammengepresst. Nichts weiter. Er trat näher an das Graffito heran, dann ging er wieder ein paar Schritte zurück. Das war kein Klops. Der Buchstabenhaufen bildete die Umrisse von Bayern. Ein netter Gag? Jennerwein betrachtete einen der Buchstaben unten rechts im Bild genauer. Das V war so geschickt geformt, dass die markanten Konturen des Landkreises Berchtesgaden sichtbar wurden. Und jetzt begriff er: Das war kein Bild. Das war eine Karte von Bayern, jeder Buchstabe zeichnete einen Landkreis: Vohenstrauß, Burglengenfeld, Oberviechtach … Es war eine große Bild-im-Bild-Collage. Jennerwein war fasziniert. Dann entdeckte er die Zahlen. Drei Landkreise enthielten Zahlen, sechs oben, sechs unten – darunter auch der Landkreis des Kurorts. Was ergaben zwölf Zahlen? Worauf deuteten zwölf Zahlen hin? Die zwölf Apostel. Die zwölf Monate. Die zwölf Stämme Israels. Die zwölf Geschworenen. Zwölffingerdarm. Zwölftonmusik. Die zwölf Ritter der Artusrunde.
    »Was bedeuten zwölf Zahlen?«, rief Jennerwein laut durchs Haus. »Welche Information besteht aus zwölf Zahlen?«
    Die Antwort erschallte aus verschiedenen Ecken des Raums.
    »Ein Punkt auf der Landkarte!«, riefen Nicole, Becker und sein Computerfreak gleichzeitig.
    »Von wegen analytischen Verstand ausschalten!«, murmelte Nicole in sich hinein.
    »Also sind es Koordinaten! Schnell, Nicole, sehen Sie im Netz nach: 473059 nördliche Breite und 110531 östliche Länge.«
    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
    »Auf dieser Position liegt die Burgruine Werdenfels!«

66

    L eck mich fett, ist das gruselig!«, ruft Odilo, als er wieder an die frische Nachtluft kommt. Graf Folkhart von Herbrechtsfeld hilft seinem Diener auf die Beine und klopft ihm, ganz unstandesgemäß, den Schmutz von der Kleidung. Endlich haben sie die Abschrift des FAVOR CONTRACTUS sicher verwahrt! Die Sterne über dem Werdenfelser Land blitzen und funkeln so irre, als ob sie Applaus spenden wollen. Auch dem Mond scheint die Geschichte zu gefallen. Er sinkt zufrieden in die Wolken ein wie eine vollgefressene, kugelrunde Katze in ein weißes, duftendes Kopfkissen. Kein Mensch ist ihnen gefolgt. Es ist ein guter Zeitpunkt gewesen, solch ein Unternehmen zu wagen. Und genau das ist auch in dem Kalender gestanden, den Graf Folkhart einst von der Freifrau von Höhningen-Reuß geschenkt bekommen hat. Der Astrologe Eysinger hatte für den 11 . Juli 1294 folgenden Spruch parat: »Im Jupiter den Schatz vergrab’st, dass du nicht Schaden später hab’st.« Der Graf von Herbrechtsfeld hat zwar immer noch keine gute Meinung von der Astrologie. Aber weiß man es? Sicher ist sicher.
     
    Am nächsten Tag zieht der gesamte Tross des Grafen weiter. Kurz vor dem Aufbruch steigt Folkhart noch einmal hinauf zu der schönen neuen Burg Werdenfels und schaut hinunter ins Tal, das leer und saftig grün vor ihm liegt. Es ist ein idealer Engpass, um die Kaufmannsströme, die seit Jahren auf der Nord-Süd-Achse hin- und herwiegen, aufzunehmen, zu kontrollieren und weiterziehen zu lassen. Es ist eine ideale Furt, um die Goldmünzen von den Wänsten der Durchreisenden abzustreifen. Und nicht zuletzt ist es ein idealer

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