Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Platz, um sich zu verstecken. Die Lage ist für all das perfekt. Folkhart kann sich gut vorstellen, dass hier einmal eine reichsunmittelbare Stadt entsteht, oder gar eine Stadt wie Rom oder Athen. Eine Stadt, auf die der bayrische Herzog Ludwig der Strenge keinen Einfluss hat. Den FAVOR CONTRACTUS hier zu verstecken, war eine gute Idee des Mesners gewesen. Der wusste, dass die Kirche wichtige Dinge oft in leeren Gräbern unterbringt. Folkhart ist zufrieden. An die kleine Kapelle der Burg schmiegt sich ein winziger Friedhof, und dort ist die Lebensversicherung von Folkhart versenkt. Er wirft einen letzten Blick auf die Gräber. Die Regensburger drängen zum Aufbruch. Er muss weiter. Zunächst zum geldklammen deutschen König Adolf. Dann an den französischen Hof.
Nur der Mohr bleibt in Germareskauue. Ihm gefällt es dort. Sein Blut vermischt sich in den folgenden Jahrhunderten mit dem der Einwohner. Er trägt so viele Geschichten vor, dass der Platz, auf dem er sie erzählt, seinen Namen trägt.
Odilo, Folkhart und der Tross sind bald schon in der Grafschaft Württemberg.
»Du, Herr«, sagt Odilo. »Der Kurpfälzer da hinten, der gefällt mir gar nicht.«
»Manchmal kann man sich seine Knechte nicht auswählen.«
Manchmal kann man sich auch seine Mörder nicht auswählen. Eigentlich nie.
67
Gerade als sich Polizeiobermeister Franz Hölleisen sicher war, dass er sich getäuscht hatte und dass er hier wahrscheinlich den Falschen verfolgte, bekam er einen heftigen und äußerst schmerzhaften Schlag auf den Hinterkopf. Bevor er auf dem Boden aufschlug, kam ihm noch der rechthaberische Gedanke, dass er also doch den Richtigen, den Verdächtigen, den Täter verfolgt hatte. Ein kurzer Anflug von Stolz kam auf, doch dann wurde alles schwarz um ihn herum.
Es führten mehrere Wege zur Burgruine Werdenfels, und Jennerwein teilte das Team auf, um die Hügelkuppe sternförmig anzugehen. Oben wollte man sich dann treffen, um weitere Schritte zu besprechen. Von allen Seiten erreichte man die Burg in einer halben Stunde, es war kaum mehr als ein Spaziergang. Einige aus dem Team kannten die berühmte Sehenswürdigkeit nicht. Ostler hatte kurz den Fremdenführer gespielt.
»Die Burgruine hat eine wechselvolle Geschichte. Ruine ist sie schon mehrere hundert Jahre, immer wieder wurde sie geplündert, vor hundertzwanzig Jahren wurde sie so kaputtrenoviert, dass die ursprünglichen Mauern dabei verlorengegangen sind. Der Hölli wüsste mehr darüber zu erzählen.«
Der Hölli lag aber bewusstlos im Gebüsch, er konnte momentan nichts erzählen.
Die Graseggers wiederum beschritten keinen der öffentlichen Wege, sie schlichen vielmehr durch die Büsche, über zugewachsene Trampelpfade und uralte Forststiche. Auf halber Strecke bemerkten sie, dass eine Polizeitruppe in großer Besetzung den Hügel ebenfalls erstieg.
»Was machen die denn da?«, flüsterte Ursel Ignaz zu. »Das gibt es doch nicht. Was haben denn der Jennerwein und seine Leute auf der Burg zu suchen?«
»Das schauen wir uns jedenfalls an.«
Sie hatten sich beim Heraufspazieren schon einige mögliche Folgen der Separation ausgemalt. Ein aufblühendes Bankenwesen, ähnlich wie in der Schweiz. Und eine Fußballnationalmannschaft, bestehend aus Scharen von einwanderungswilligen Fußballstars.
»Wie sieht es mit der Flagge aus?«, scherzte Ursel weiter.
»Auf keinen Fall weiß-blau. Vielleicht ein schwarzer Mohr auf gelbem Grund.«
»Und die Nationalhymne?«
»Das ist doch ganz klar«, erwiderte Ignaz.
»Es gibt nur a Loisachtal alloa.«
Woran sowohl die Ermittler als auch das Bestatterehepaar nicht gedacht hatten: Der Burghügel war von drei Seiten bewaldet und begehbar. Die vierte Seite, die zum Tal hinzeigte, war eine steil abfallende Wand, nicht eben eine schroffe Felswand, eher eine hundert Meter steil und unzugänglich abfallende Böschung. Genau in der Mitte dieser Wand war eine vergitterte Nische eingelassen, in der ein kleines, verwaschenes Votivbild hing. Hinter diesem ›Marterl‹ begann der Tunnel, durch den man kriechen musste, wenn man zu der geheimen Kammer gelangen wollte. Eine keuchende, hustende und klaustrophobisch schwitzende Gestalt befand sich gerade im Inneren der Röhre.
Ignaz und Ursel waren nicht mehr die Fittesten. Zu viele Gamsfleischpflanzln und Rehragoutsülzen hatten sie behäbig gemacht. Sie mussten eine Weile verschnaufen.
»Kehren wir wieder um?«, fragte Ignaz.
»Ja, ich hätte nichts dagegen. Was
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