Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
doch bei uns gefunden.«
»Vielleicht ging es gar nicht um Gegenstände. Vielleicht wollte er jemanden unter Druck setzen. Oder er wollte lediglich eine Information von ihm.«
»Jedenfalls war es etwas, wofür Jakobi sterben musste.«
Hatte da so etwas wie Befriedigung aus Gudrians Stimme herausgeklungen? Jennerweins Misstrauen flackerte wieder auf.
»Ich muss jetzt gehen.«
Gudrian versuchte eine Abschiedsgeste und bewegte dabei unwillkürlich die Unterarme. Er schrie schmerzvoll auf.
»Pass auf deine Hand auf«, sagte Jennerwein. »Wir machen morgen weiter.«
Auf dem Krankenhauskorridor kam ihm Nicole Schwattke entgegen.
»Besondere Vorkommnisse?«
»Nein, Chef, sie liegen jetzt alle in ihren Zimmern. Sie wissen, dass sie heute nicht mehr befragt oder anderweitig gestört werden. Sie sind in guter ärztlicher Behandlung, wenn sie es wünschen, bekommen sie psychologische Betreuung.«
»Hat jemand dieses Angebot angenommen?«
»Die psychologische Betreuung? Nein, soviel ich weiß, nicht. Es scheint ein harter Jahrgang gewesen zu sein.«
»So kann man es auch sehen. Nicole, Sie achten bitte darauf, dass die Geiseln keinen Kontakt miteinander aufnehmen.«
»Ich werde es versuchen. Allerdings kann ich sie nicht daran hindern, aufzustehen oder zu telefonieren. Dazu bräuchten wir einen richterlichen Beschluss. Bisher sind sie ja nur Zeugen. Und Opfer. Es ist eine delikate Situation.«
»Wie wahr.«
»Wollen Sie heute noch jemanden befragen?«
»Ich glaube, das ist keine gute Idee. Wir lassen sie jetzt in Ruhe. Und ich muss mir ernsthaft überlegen, ob ich morgen überhaupt selbst an den Befragungen teilnehme.«
»Sie denken, dass es einer von ihnen war?«
»Ja, davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Ich spekuliere jetzt mal«, sagte Nicole.
»Ich höre.«
»Für mich gibt es fünf Möglichkeiten. Eins: Der Geiselnehmer ist über alle Berge, er ist durch die Ringe aus SEK und Bergwacht geschlüpft. Zwei: Er ist, bevor das SEK zugegriffen hat, geflohen, er befindet sich also jetzt noch irgendwo im weitläufigen Gelände. Drei, eine ganz verwegene Variante: Es ist jemand von den Hilfskräften. Von der Bergwacht, von uns Polizisten, von den SEK lern. Es ist Schimowitz –«
»Da hätte ich noch eine verwegenere Variante«, unterbrach Jennerwein. »Drei a: Er ist in einem von Stengeles Treibsandlöchern versunken.«
»Dann vier: Er befindet sich unter den dreizehn, die hier auf Station liegen.«
»Und fünf?«
»Sie lügen uns alle an. Alle Ihre Klassenkameraden lügen.« Jennerwein schüttelte zweifelnd den Kopf.
»Sie meinen, dass sie Jakobi gemeinsam ermordet haben?«
»Vielleicht ist es an den vorherigen Tagen zu einem Streit unter den Klassenkameraden gekommen. Alte Wunden sind aufgebrochen, der Streit ist eskaliert, einer wurde hinuntergestürzt. Das wird jetzt als Geiselnahme getarnt.«
Jennerwein wählte die Nummer Monas. Nur die Mailbox war dran. Er fluchte leise. Er hatte eine vage Vermutung, so eine Idee, die ins Befürchtungsmäßige hinüberreichte.
»Probleme?«, fragte Nicole Schwattke.
Jennerwein runzelte die Stirn.
»Die jungen Wilden von der Geheimen Stelle bereiten mir Sorgen. Ich hoffe, dass die nichts auf eigene Faust unternehmen.«
49
Doch genau das taten sie. Einige von ihnen hatten schon längst damit begonnen und waren befürchtungstechnisch quasi mittendrin. Gleich nachdem Jennerwein die Geheime Stelle verlassen hatte, hatten sie Motte zum Hüten des Feuers eingeteilt, der war ganz froh darüber gewesen. Ein paar Weichlinge waren auch noch dort geblieben: Joey, der Gitarrenklimperer, die unbewegliche Meyer und noch ein paar andere Beckenrandschwimmer mit Wahlfach Altjapanisch. Die meisten jedoch waren sofort, nachdem die Polizisten verschwunden waren, in Richtung Kramer marschiert, weniger wie ein organisierter Suchtrupp, eher locker im Sinne der Chaostheorie, mit einer gewissen Schwarmintelligenz. Samba eben. Es war drei Uhr gewesen, als sie sich dazu entschlossen hatten, und um diese Zeit hatten sie noch nichts von SEK -Einsätzen, Hubschrauberdröhnungen und ausschwärmenden Bergwachtlern gewusst. Auch nichts von Treibsandlöchern und flüchtigen Geiselgangstern.
Das Stichwort
Uta und das rote Eichhörnchen
deutete fraglos auf die Wanderstrecke hin, die die phantasielose Biolehrerin immer gewählt hatte, weil da die Waldbienen
besonders
eifrig sammelten, die wilden Rosen
besonders
dominant oder rezessiv mendelten und schließlich die guten
Weitere Kostenlose Bücher