Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Fieberphantasien an.«
»Dann phantasiere mal. Fünf Minuten, dann muss ich weiter.«
Gudrian richtete sich etwas weiter im Bett auf, Jennerwein setzte sich auf den Besucherstuhl. Und dann erzählte Gudrian von der Wanderung nach oben. Er erzählte von seiner geflüsterten Unterhaltung mit Helmut Stadler, als sie über den Grund für die geheimnisvollen Masken gerätselt hatten. Dadurch konnte er Stadler aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen. Er erzählte von seinem Versuch, die Identität des Maskenmannes zu knacken, vom Abschicken der SMS und von seiner Vermutung, dass der Gangster ein Franzose war.
»Zuerst dachte ich, er spricht Hochdeutsch, aber dann kam es mir vor, als ob ein französischer Akzent durchblitzte. Und dann habe ich ihn angesprochen. Mit dem Namen Jean-Jacques, um ihn zu provozieren. Wenn mich nicht alles täuscht, hat ihn das einen kleinen Moment aus der Fassung gebracht. Alles deutet auf Jean-Jacques hin.«
»Unser Jean-Jacques? Arsenault? Bist du sicher?«
»Ziemlich sicher.«
»War er denn bei eurer Wandergruppe dabei?«
»Nein, vermutlich hat er oben auf uns gewartet.«
Jennerwein entschuldigte sich bei Gudrian, ging auf den Gang hinaus und wählte Ostlers Nummer. Er bat ihn, den Französischschweizer Jean-Jacques Arsenault zu überprüfen. Während des Wartens versuchte er, sich an Einzelheiten bezüglich dieses Mitschülers zu erinnern. Jean-Jacques Arsenaults Vater war ein Genfer Diplomat gewesen, der sich im Kurort zur Ruhe gesetzt hatte. Villa in Top-Lage, Swimmingpool, richtig großbürgerliches Milieu, mit einem Original von Kandinsky über dem Kamin. Über dem Kamin! Arsenault junior war in der Schule immer wieder mal durch illegale Aktivitäten aufgefallen. Nichts Größeres: Urkundenfälschung, Hehlerei, kleinere Sachbeschädigungen, später kamen dann noch Versicherungsbetrug und Trickdiebstahl dazu.
»In Deutschland ist er nicht mehr gemeldet, Chef«, sagte Ostler am Telefon. »In den letzten paar Jahren ist er mehrfach verurteilt worden. Hat aber keine große kriminelle Karriere gemacht.«
»Bislang nicht.«
»Ich probier es weiter im Ausland.«
Jennerwein trat wieder ins Zimmer von Gudrian.
»Wir versuchen, ihn zu finden. Wer war denn überhaupt alles mit dabei bei der Wanderung?«
»Wir waren beim Aufstieg genau vierzehn Personen –«
Jennerwein hatte einen Notizblock gezogen und notierte sich die Namen.
»Ich, Fichtl, Prallinger. Dann Eidenschink, Ploch und Beissle.«
»Antonia Beissle? Die Staatsanwältin?«
»Genau die. Ferner Schorsch Meyer III . Der ist Lehrer.«
»Ja, ich weiß.«
»Gunnar Viskacz und Gustl Halfinger. Wer noch? Ja: Siegfried Schäfer, Jerry Dudenhofer, Stadler. Dann noch Diehl und Jakobi.«
»Kannst du dir eine Verbindung zwischen Arsenault und Jakobi vorstellen?«
Zögern. Stille. Nur die medizinischen Apparate summten ihr gleichgültiges und mitleidsloses Lied.
»Nein. Keine Ahnung.«
Das EKG , das Geblubbere und Gekeuche des Sauerstoffschlauchs, das Schmatzen des Infusionsbeutels, das Schweigen der beiden Männer.
Zzzzing …
Ein kleines Geräusch, das genauso technisch war wie die anderen Sounds der Gerätemedizin, das aber auf unerklärliche Weise überhaupt nicht hierherpasste.
»Hast du das gehört?«, fragte Jennerwein nervös.
»Das Zzzzing? Ja, das war meine Medizinuhr. Ich muss zweimal am Tag Tabletten schlucken. Nichts Schlimmes, nur der Blutdruck. Jetzt fällt mir ein: Ich habe die Ärzte gar nicht gefragt, ob diese Tabletten zu all dem anderen Zeugs, das ich hier kriege, passen. Aber kannst du mal eben die Uhr abstellen? Es ist lästig, wenn man mit einer Hand nichts machen kann.«
Jennerwein tat Gudrian den Gefallen. Wieder entstand eine Pause. Jennerwein wartete darauf, dass Gudrian fortfuhr. Er wollte ihn nicht drängen. Aber eine Frage ließ ihn nicht los: War Bernie Gudrian ehrlich zu ihm? Konnte er ihm vertrauen?
»Ich weiß schon«, sagte Gudrian plötzlich in die eiskalte Symphonie der lebenserhaltenden Technik hinein.
»Was weißt du?«
»Dass ich wie alle anderen als Täter verdächtig bin.«
Jennerwein nickte.
»Da liegst du vollkommen richtig, Bernie. Und das macht mir die Sache so schwer. Außerdem frage ich mich: Was wollte der Geiselnehmer eigentlich?«
»Vielleicht brauchte er von jemandem eine Unterschrift? Oder ein Dokument? Ein verfängliches Foto? Was weiß ich. Aber wenn er eine Unterschrift erpresst oder ein Dokument geraubt hat – dann hättet ihr diese Dinge
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