Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Fotos zu machen? Wohl kaum, dachte Bruno. Das schwarze Sweatshirt, das sie trug, war für ein solches Komplott ungeeignet.
»Ich war neugierig und wollte wissen, wie Sie wohnen.« Sie sah an ihm vorbei auf sein Haus, das er mit Hilfe von Freunden und Nachbarn aus Ruinen wiederaufgebaut hatte.
»Enten und Hühner, ein Gemüsegarten, Einmachgläser in Reih und Glied – ein richtiges Landleben führen Sie«, sagte Eugénie versonnen. Plötzlich fuhr sie herum und zeigte mit grandioser Geste auf das weite Feld und die weich ansteigenden Wälder dahinter. »Und was für eine wundervolle Aussicht!«
»Ich bin glücklich hier«, murmelte Bruno einsilbig und fragte sich im Stillen, warum Eugénie in Wirklichkeit gekommen war.
Eugénie ging auf seine Bemerkung nicht ein. »Außerdem wollte ich fragen, warum Sie uns nicht mögen und unser Projekt behindern.«
»Ich habe nichts gegen Sie oder Ihr Projekt, wenn es denn wie geplant umgesetzt wird«, antwortete er. Sie auf die unbezahlten Rechnungen und die gefälschten Pläne für die Sporthalle anzusprechen, hielt er jetzt nicht für günstig.
»Aber dass der Bürgermeister jetzt die auberge als Sicherheit verlangt, war doch bestimmt Ihre Idee, oder? Und die ganzen Fragen zu Thivion gehen wahrscheinlich auch auf Sie zurück.«
»Welche Fragen?«
»Wollen Sie mir weismachen, dass der Reporter der Sud-Ouest von sich aus all die Fotos von dieser kümmerlichen Anlage geschossen hat, die wir bauen mussten?«
Bruno bedankte sich im Stillen bei Delaron. Er freute sich schon auf das Erscheinen der nächsten Ausgabe von Paris Match.
»Vielleicht sollte es mir schmeicheln, dass Sie mir so viel Einfluss zutrauen, aber auf die Presse habe ich nun wirklich keinen Zugriff. Was Sie mir da unterstellen, ist lächerlich. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Er wollte einen Blick ins Haus werfen, um zu sehen, ob sie ihre Nase in seine Sachen gesteckt hatte.
»Aha, Sie bezeichnen meine Vermutungen als lächerlich, halten Ihre Vorbehalte gegen mich und unser Projekt aber bestimmt für gerechtfertigt, oder?«, entgegnete sie in scherzendem Tonfall. »Wenn Sie mir bitte einen Kir machen würden…«
»Sofort. Aber bevor ich’s vergesse, ich würde mich gern mit dem Arzt der Komtesse unterhalten und ihn fragen, inwieweit seine Patientin zu ihrer Enkelin vernehmbar ist. Wer behandelt sie?«
»Ein Spezialist aus Paris, vom Gedächtniszentrum am Krankenhaus Laboisière. Der Graf fliegt ihn mit seinem Hubschrauber ein. Ich kann Ihnen aber schon verraten, dass die Komtesse mit Sicherheit nicht ansprechbar ist.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht, aber für meinen Bericht brauche ich die Aussage des Arztes«, erwiderte er und ging, um Getränke zu holen. Auf den ersten Blick wirkte alles unberührt, und er füllte zwei Gläser mit Weißwein, in die er einen Spritzer crème de cassis gab. Er wollte sie gerade nach draußen bringen, als er leise Schritte im Flur hörte. Sie hatte offenbar ihre Reitstiefel ausgezogen.
»Darf ich reinkommen? Draußen wird es mir ein bisschen kühl.« Ohne seine Antwort abzuwarten, ging sie ins Wohnzimmer, als kenne sie bereits den Weg. Sie verströmte ein ihm unbekanntes Parfum und setzte sich mit einem strahlenden Lächeln aufs Sofa. Es war, wie ihm auffiel, dasselbe Lächeln wie auf dem Foto im Magazin Gala, das sie an der Seite des Grafen zeigte.
»Sie haben einen Kamin. Ich liebe offenes Feuer«, sagte sie und blickte, an ihrem Drink nippend, auf den leeren Rost. Er nickte und fragte sich, was sie im Schilde führte. Dass sie ihn zu verführen versuchte, um ihn geneigt zu machen, mochte er kaum glauben. So plump würde sie nicht sein.
»Erzählen Sie mir von Antin Investissements. Sind Sie Anteilseignerin?«, fragte er.
»Haben wir nicht schon genug über Geschäftliches gesprochen?«, entgegnete sie neckisch. »Entspannen wir uns doch einfach mal.«
»Sie haben noch einen weiten Rückweg, und es bleibt nicht mehr lange hell«, gab er zu bedenken.
»Es klingt, als wollten Sie mich loswerden«, schmollte sie, setzte aber sofort wieder ihr Hochglanzlächeln auf. »Haben Sie schon gegessen? Wie man hört, sollen Sie vorzüglich kochen.«
»Nach dem Buffet von heute Mittag habe ich noch keinen Hunger«, antwortete er.
Das stimmte zwar nicht, doch Bruno wollte sich nicht in eine Situation hineinmanövrieren lassen, in der ihm kaum etwas anderes übrigbliebe, als sie zum Essen einzuladen. Mit unbewegter Miene schaute er sie an. Da hob sie die Arme
Weitere Kostenlose Bücher