Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Résistance-Gruppen zu befrieden versucht hatte und dann an die Deutschen verraten, gefoltert und getötet worden war. Das dem Museum angeschlossene Archiv galt als das umfangreichste seiner Art in Frankreich. Bruno wusste, dass seine fleißigen Mitarbeiter schon am Schreibtisch saßen, ehe das Museum seine Tore öffnete.
»Sagt Ihnen der Name McPhee etwas? Sein Träger muss sich zwischen Mai und Juni 1944 hier bei uns im Périgord aufgehalten haben«, sagte Bruno, nachdem er den Kurator begrüßt und sich nach seinem Befinden erkundigt hatte. Er bot an, den Namen zu buchstabieren, doch der Kurator kam ihm zuvor.
»Natürlich. Er gehörte zu den Jedburghs, über die ich promoviert habe. Einer aus seiner Gruppe wurde französischer Präsident. Wissen Sie, wer die Jedburghs waren?«
Bruno verneinte.
»Sie waren ein Spezialverband der Alliierten, bestehend aus dreiköpfigen Gruppen, zu denen je ein französischer, ein amerikanischer und ein britischer Offizier gehörten«, erklärte der Kurator. Diese Gruppen seien gemeinsam ausgebildet worden und in den Wochen vor der Invasion per Fallschirm über Frankreich abgesprungen, um die Widerstandskämpfer zu schulen und zu koordinieren. Außerdem hätten sie Waffenlieferungen aus der Luft organisiert. McPhee, ein amerikanischer Hauptmann aus einer Familie mit langer Militärtradition, sei bei den Rangers gewesen, einer Eliteeinheit. Er habe einen ungewöhnlichen Beinamen getragen – Tecumseh –, der auf einen Indianerhäuptling zurückgehe, gegen den einer von McPhees Vorfahren Krieg geführt habe. McPhee sei im Frühjahr 1944 im Périgord gewesen und im Juni desselben Jahres als gefallen gemeldet worden, obwohl seine Leiche nie gefunden wurde. Major Manners, der britische Offizier, der zu seinem Team gehörte, habe zu Protokoll gegeben, McPhee sei zuletzt bei einer Straßenschlacht in Terrasson gesehen worden und wahrscheinlich verbrannt, als die Stadt in Flammen stand.
»Der Amerikaner war sehr beliebt bei den jungen résistants, die er ausgebildet hat«, fügte der Kurator hinzu. »Sie nannten ihn ›unseren Indianer‹, weil er seinen Kopf rasierte und nur einen Haarkamm stehen ließ.«
»Könnte er in Kontakt mit der Roten Komtesse gewesen sein?«, fragte Bruno.
»Durchaus. Sie war ja Kurier der FTP -Gruppe, mit der er zusammengearbeitet hat. Wir haben eine Menge mündlicher Aussagen auf Band, unter anderem Berichte von ihr. Daraus geht hervor, dass McPhees Gruppe zeitweise im Roten Château Unterschlupf gefunden hat.«
Bruno wusste um die Francs-Tireurs et Partisans, den kommunistischen Flügel der Résistance.
»Hat sie den Namen McPhee ausdrücklich erwähnt?«, fragte er.
»O ja. Sie beschrieb ihn als den tapfersten Mann, den sie kenne, und sagte, er hätte für einen Amerikaner ungewöhnlich progressive Vorstellungen gehabt. Wenn man sie so hört, könnte man meinen, dass sie ein Faible für ihn hatte. Und sie war damals ja noch sehr jung, siebzehn oder achtzehn, glaube ich. Was interessiert Sie eigentlich an ihm, Bruno?«
»Ich frage mich, ob er der Vater ihres Kindes gewesen sein könnte.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es für eine Weile still. Plötzlich fing der Kurator nervös zu kichern an. »Wir dachten immer, es sei ein Franzose, aber es kann natürlich sein, dass er es war. Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie etwas herausgefunden haben.«
»Noch etwas anderes«, sagte Bruno. »Die Komtesse hat eine jüngere Schwester. Wissen Sie etwas über sie?«
»Sie ist, genauer gesagt, ihre Halbschwester, das heißt die Tochter aus der zweiten Ehe ihres Vaters. Die Komtesse hat immer großen Wert auf diese Feststellung gelegt und auch darauf, dass sie die Schwester bewusst aus allen Aktivitäten der Résistance herausgehalten habe. Sie sei dafür noch zu jung gewesen. Ich glaube, allzu gut konnten sich die beiden nicht leiden.«
Bruno klappte sein Handy zu und sah, wie Pater Sentout schon sein zweites Croissant in den Kaffee stippte und über das ganze Gesicht grinste. »Ein amerikanischer Kuckuck im Nest einer unserer ältesten Familien«, kicherte er. »Der Krieg sorgt wahrhaftig für ungewöhnliche Bettgeschichten.«
»Louis, der Sohn der Schwester, kam also auch unehelich zur Welt. Er wurde etwa zur selben Zeit gezeugt und trägt ebenfalls den Beinamen McPhee«, resümierte Bruno mit Blick auf die Liste des Paters.
»Ich habe ihr gelegentlich die Beichte abgenommen, aber darauf ist sie nie zu sprechen gekommen«, sagte der Priester. Das
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