Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
anfängliche Freundlichkeit in Missstimmung umgeschlagen. Auch jetzt lächelte sie wieder und hieß ihn spontan willkommen. »Sie tragen Zivil«, sagte sie augenzwinkernd. »Darf ich davon ausgehen, dass Sie mir heute endlich den lange versprochenen privaten Besuch abstatten?«
»Ich wünschte, es wäre so, Madame. Leider bin ich in einer traurigen Angelegenheit hier. Ich muss mit Francette reden. Ihr Vater hatte einen Verkehrsunfall und ist tot. Sie wird mich hoffentlich begleiten, wenn ich gleich zu ihrer Mutter fahre, die noch nichts weiß.«
»Wie schrecklich. Natürlich bekommt sie frei, um ihrer Mutter beizustehen«, erwiderte Béatrice mit fast mütterlicher Miene. Sofort bat sie die schwarzgekleidete Empfangsdame, Francette zu rufen. Die junge Frau am Empfang war diesmal nicht Cécile, sah ihr aber zum Verwechseln ähnlich; wie offenbar alle weiblichen Angestellten des Hotels.
Francette nahm die Nachricht scheinbar ungerührt auf. Allerdings waren ihre Lippen und eine Wange geschwollen wie nach einem Sturz oder bei schlimmen Zahnschmerzen. Die Augen waren gerötet und matt. Hatte sie womöglich schon vom Tod ihres Vaters gehört?
»War er betrunken?«, fragte sie nur, nachdem Bruno ihr den Unfall beschrieben und, um sie ein wenig zu trösten, angemerkt hatte, dass er auf der Stelle tot gewesen sein musste.
»Ich weiß nicht, ob er getrunken hatte. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er jedenfalls nüchtern«, antwortete Bruno. »Würden Sie mich bitte auf den Hof Ihrer Eltern begleiten? Ihre Mutter weiß es noch nicht. Es wäre gut, Sie sind dabei, wenn sie es erfährt.«
Francette warf Béatrice einen Blick zu, die zustimmend nickte und sie zu umarmen versuchte. Francette aber wich ihr aus und sagte, sie müsse ein paar Sachen für die Nacht packen. Sie eilte davon, den Kopf hoch aufgerichtet und die Schultern gestrafft.
»Sie wirkte schon ziemlich niedergeschlagen, ehe ich mit der schlimmen Nachricht herausgerückt bin«, sagte Bruno.
»Einer unserer Gäste hat ihr gestern Abend eine Szene gemacht und ihr vorgeworfen, ihn ungeschickt bedient zu haben. Dabei war er selbst schuld. Als sie ihm Wein nachschenkte, ist er plötzlich mit dem Stuhl nach hinten gerückt und hat sie zu Boden gestoßen«, erklärte Béatrice. »Es ist manchmal schwer zu ertragen, einem Gast immer Recht geben zu müssen, auch wenn er sich danebenbenimmt. Kann ich Ihnen einen Kaffee oder einen Drink anbieten?«
Er schüttelte den Kopf, worauf sich Béatrice entschuldigte und ging. Bruno bemerkte, dass alle Zimmerschlüssel in ihren Fächern lagen. Schon draußen war ihm aufgefallen, dass kein einziges Fahrzeug auf dem Parkplatz stand. Bruno verstand nicht viel vom Hotelgewerbe, fand es aber seltsam, dass das Haus offenbar leer war. Oder lag es daran, dass an einem Sonntagnachmittag die Wochenendgäste schon abgereist und die neuen Gäste für die kommende Woche noch nicht eingetroffen waren?
Francette hatte sich Jeans und ein Sweatshirt angezogen, trug aber immer noch die schicken Schuhe und eine modische Handtasche, die sie zusammen mit einem Louis-Vuitton-Köfferchen auf die Ladefläche von Brunos Transporter legte. Als sie auf dem Beifahrersitz Platz nahm, fiel Bruno auf, dass sie dasselbe Parfüm – Shalimar – trug wie Pamela.
»Ich weiß, Sie kamen mit Ihrem Vater nicht gut zurecht, aber er hat Sie auf seine vielleicht manchmal etwas verschrobene Art geliebt«, sagte er.
»Ich weiß. Deshalb konnte ich ihn auch nicht wirklich hassen, obwohl ich ihn verachtet habe«, erwiderte sie. »Sie können sich Ihren Trost ruhig sparen, Bruno. Ich bin kein Kind mehr, und Sie brauchen mir auch keine guten Ratschläge mehr zu geben, was meine Rückhand anbelangt. Ich bin von selbst dahintergekommen, dass Sie meine Tennisschuhe bezahlt haben, weil meine Mutter kein Geld dafür hatte.«
»Wir hatten einen speziellen Fonds…«, stotterte Bruno verlegen.
»Und Sie haben von meinen Eltern auch nie Spritgeld verlangt, wenn Sie uns zu Auswärtsspielen gefahren haben.«
»Kommen wir zur Gegenwart zurück«, erwiderte er. »Sie müssen Entscheidungen treffen. Darüber, ob der Hof behalten oder verkauft werden soll. Sie scheinen eine gute Anstellung zu haben und wären in der Nähe Ihrer Mutter.«
»Wir haben beide keinen Führerschein, geschweige denn ein Auto«, sagte sie. »Und was ich in Zukunft machen werde, steht noch in den Sternen.« Sie wurde still und reagierte nicht auf Brunos Versuche, das Gespräch in Gang zu
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