Femme Fatales
Braque, ein Monet und – ein Delaques. Da dies definitiv nicht die Gegend von Paris war, in der man es nötig hätte, die Wände seiner Vorhalle mit Kopien zu demütigen, konnte Milena nur schlussfolgern, dass die Kunstwerke echt seien.
Und noch etwas hätte man hier eher nicht zu sehen erwartet: Nämlich Madame Danielle Vaux, Vorstand eines der größten Versicherungs- und Technologiekonzerne Europas und in dieser Eigenschaft Milenas Arbeitgeberin.
„Wie schön, dass Sie es so rasch geschafft haben, Mademoiselle Fanu“, sagte Madame Vaux und streckte Milena ihre Hand zur Begrüßung entgegen.
4. Teil /August 2008
Letztlich war es gar nicht darauf angekommen, dass Nolde Milenas Entführer identifizierte. Denn die Karten in diesem Spiel waren vom ersten Zug an gezinkt gewesen. Man hatte Nolde und dessen Firma auf zynische Art und Weise benutzt.
Was ihm dabei besonders bitter aufstieß war, dass es ihm selbst erst in allerletzter Minute bewusst wurde. Nämlich erst dann, als er bereits schachmatt gesetzt war und die Gegenseite daher sichergehen durfte, dass ihm nichts weiter übrig blieb, als fortan nach ihren Regeln zu spielen. Es sei denn, er wollte nahezu alles, was er sich in den letzten Jahren so mühsam aufgebaut hatte, wieder verlieren.
Nolde mochte in diesem Spiel nie mehr als eine Marionette gewesen sein, dennoch konnte er gar nicht anders, als dem Spiel an sich auch seine Bewunderung zu zollen.
Konzipiert und in Szene gesetzt hatte diese Charade Madame Vaux, die dort einige Schritte vor ihm an ihrem Schreibtisch stand und Milena Fanu gerade dazu zu bewegen versuchte, einige heikle Dokumente zu unterzeichnen.
Im Laufe ihrer außerordentlichen Karriere war viel über Madame Vaux geschrieben worden. In einem Punkt waren sich die Kommentatoren, Experten und Reporter selten einige gewesen: Man konnte Madame nicht vorwerfen sich ihre Karriere auf der Besetzungscouch erarbeitet zu haben. Dazu, so hieß es, sei sie erstens als Frau zu unattraktiv und zweitens auch eindeutig zu gerissen.
Man hätte noch einen weiteren Faktor anführen können, dachte Nolde. Sich hoch zu schlafen hatte nur dann Sinn, wenn man seinen Aufstieg von ziemlich weit unten begann. Doch Madame Vaux hatte ihre Karriere von sehr weit oben gestartet. Sie war eine direkte Nachfahrin von Napoleons legendärem Außenminister Talleyrand und dessen illegitimen Sohn, dem berühmten Maler Delaques. Und in Frankreich zählte eine solche Herkunft immer noch etwas, ganz gleich, ob für Politik oder Geschäft.
Derzeit dirigierte Madame zusammen mit ihren Vorstandskollegen ein Unternehmen, das um die 30 Milliarden Euro Wert war. Es handelte sich bei dem Konzern, dem sie vorstand, ja nicht nur um die Versicherungsgesellschaft allein. Über Töchter und Beteiligungen beherrschte die Gesellschaft auch ein halbes Dutzend weiterer Banken und Technologieunternehmen, die allesamt börsennotiert waren, und zum Besten zählten, was Frankreichs Wirtschaft derzeit überhaupt aufzubieten hatte.
All das Geld, dachte Nolde, so immens viel Geld, dass es im Grunde schon gar keinen Wert an sich mehr besaß, sondern sich auf mysteriöse Weise in pure Willenskraft verwandelte.
Wie jedes wirklich geniale Spiel war auch die Charade, welche Madame Vaux mit Nolde gespielt hatte, recht einfach gewesen. Wobei der Schlüssel zum Sieg gar nicht mal so sehr in der Konzeption gelegen hatte, als vielmehr in der raffinierten Vorauswahl der Mitspieler.
Immerhin konnten Nolde und Hammer sich zugute halten, dass sie den Braten im letzten Moment noch selbst gerochen hatten.
Und das war so gekommen:
Nolde Securities leistete zwar bestimmte Rechercheservices für Madame Vauxs Konzern. Aber man hatte dort nie die volle Bandbreite der Dienstleistungen von Nolde Securities in Anspruch genommen. Insbesondere verzichtete Madame Vauxs Konzern auf die Dienste von Hammers Bodyguardabteilung. Viele der Topmanager großer Konzerne ließen sich durch private Sicherheitsmänner beschützen, ein stetig weiter wachsender Markt, den Nolde zwar bediente, der ihm selbst aber weit weniger am Herzen lag, als Hammer. Für Nolde war Hammers Bodyguardabteilung nur ein willkommenes Zubrot für die Firma, eine Dienstleistung unter vielen anderen, die Nolde Securities anbot. Für Nolde war der Job von Leibwächtern grundsätzlich mit zu hohen Risiken verbunden. Hammer jedoch wurmte es mit seinen Bodyguards Jahr um Jahr bei den Ausschreibungen der fraglichen Verträge von Madame
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