Femme Fatales
eines der Dokumente über den Schreibtisch Richtung Milena, schraubte dann auch die Hülle ihres silbernen Mont-Blanc Füllers ab und legte ihn dazu, „…sollten Sie zuerst einmal diese Vertraulichkeitsverpflichtung unterzeichnen.“
Madame war es nicht gewohnt, dass ihr widersprochen wurde. Sie ging absolut selbstverständlich davon aus, dass sie bekam, was sie wollte. Jetzt und hier wie überall sonst.
Milenas Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment zerspringen. War ihr noch vor einem Augenblick so heiß gewesen, dass sie schwitze, wie unter praller Sonne, wurde ihr nun plötzlich eiskalt.
Selbst, falls sie bereit gewesen wäre, dieses Blatt Papier dort auf dem Tisch zu unterzeichnen - sie war nicht sicher, ob sie überhaupt in der Lage gewesen wäre, ihrem Arm, ihrer Hand, ihren Fingern den Befehl dafür zu übermitteln.
Milena sah dieses Appartement, das zweifellos zum Besten und Teuersten zählte, was in Paris zu haben war. Allein der Blick durch die Fenster und über die Dachterrasse war Millionen wert. Die Bilder und Möbel, die Teppiche und Tapeten, all dieser Glanz, all diese Raffinesse, all diese Schönheit - sie hätte nie für möglich gehalten, dass sie sich davon derart angeekelt fühlen könnte.
Madame wartete.
Ihr Mont-Blanc-Füller wartete.
Die Papiere auf dem Tisch warteten.
Doch Milena ignorierte Madame, den eleganten Schreibtisch, die Papiere, den Mont-Blanc-Füller.
23 .
Nolde hatte Milena dabei zugesehen, wie sie Madame zwar höflich, aber deutlich unterkühlt begrüßte. Das war zu erwarten gewesen. Daran fand er nichts Ungewöhnliches. Unglaublich hingegen, fand er, wie ruhig Milena blieb, als Madame Vaux ihr in dieser wohltemperierten Stimme auf den Kopf zusagte, dass sie es gewesen war, die ihre Entführung autorisierte. Und, dass die Entführung und die Torturen, denen man Milena dabei aussetzte, nur dazu dienten ihre charakterliche Eignung für einen Spitzenposten in Madames Versicherungsgesellschaft zu beurteilen.
Nolde hatte die Beurteilungen gesehen, die man anhand von Milenas Verhalten unter, wie es in dem Bericht hieß, “maßgeblich erweiterten Stressbedingungen“ angefertigt hatte. Wusste man all das Psychologengeschwafel in dem Gutachten zu deuten, so war Milena die perfekte Kandidatin.
Sie hatte sich kaum gegen ihre Entführung gewehrt, obwohl sie recht schnell begriffen haben musste, dass es eben keine Polizisten gewesen waren, die sie „verhaftet“ hatten. Sie war auch später den Anweisungen der Kidnapper stets recht widerstandslos gefolgt, obwohl sie furchtbare Angst gehabt haben musste.
Daher diese Einschätzung: Etwas träge vielleicht, dabei dennoch intelligent. Dass sie ehrgeizig war, aber dabei weder wirklich skrupellos, noch über die Maßen zögerlich, hatte man bereits vor ihrer Entführung anhand von Beobachtungen Milenas festgestellt. Dass sie aufgrund ihrer inneren Trägheit zwar etwas entscheidungsschwach, aber dabei dennoch psychisch belastbar war, bewies sie, als man sie in dem schalldichten Raum mit all jenen absurden Fragen konfrontierte.
Vor allem aber war Milena nicht eitel. Jedenfalls nicht in einem solchen Grad, dass sie aus purer Eitelkeit heraus, eine einmal fest gefügte Hackordnung je ernsthaft hinterfragt hätte. Dies zeigte sich als sie - in dem Stuhl fixiert - pinkeln musste und nach einigen Versuchen um Hilfe zu rufen, dennoch erstaunlich lange und verbissen gegen ihren Harndrang ankämpfte. Und sie hatte sich ganz zuletzt auch dann noch unerwartet fügsam gezeigt, während man sie mit den Lidklemmen ausgestattet jenen Spiegeln aussetzte.
Gerade dies – ihre vermeintlich für eine junge und derart intelligente Frau etwas schwach ausgeprägte Eitelkeit – stellte wohl den Punkt dar, auf den Madame und ihre Vorstandskollegen ganz besonderen Wert legten.
Eitle Menschen waren zumeist auch ehrgeizige Menschen und daher oftmals auch eher skrupellos in der Durchsetzung ihrer Ziele. Eine skrupellose und ehrgeizige Frau wäre jedoch die Letzte gewesen, die Madame Vaux auf jenem Posten hätte sehen wollen.
Mehr als zynisch fand Nolde, wie sehr man in den Gutachten über Milena hervorhob, dass ihre Gefügigkeit im Angesicht all des Stresses, dem man sie aussetzte, als Zeichen für ihre überragende Intelligenz und Anpassungsfähigkeit zu werten sei.
Nolde war von Madame und deren Spielchen so furchtbar angewidert. Gestern Abend, als Hammer und Nolde Madame in ihrem Vorstandsbüro aufsuchten, um sie zu ihrer Verwicklung in
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