Femme Fatales
erkundigte sich Milena, nachdem sich die automatischen Türen vor ihnen geschlossen und sich der Aufzug in Bewegung gesetzt hatte.
„Das hat er mir nicht gesagt. Ich weiß nur, dass er auf dem Dach mit einem Heli auf Sie wartet“, antwortete der Fremde, wies dann aber zu der Überwachungskamera, die unauffällig in der Decke des Aufzugs angebracht war.
Milena verstand zwar den Hinweis auf die Kameras. Davon abgesehen verstand sie nichts.
Weshalb der Heli , fragte sie sich. Der war doch ungefähr so unauffällig, wie ein Elefant auf dem Eiffelturm.
Hatte Nolde neue Erkenntnisse, die es notwendig machten, sie so schnell wie möglich aus der Stadt zu bringen?
Ein schnellerer Weg, als der Heli existierte dafür jedenfalls nicht.
War sie in akuter Gefahr?
19 .
Milena war bisher nur einmal hier oben auf dem Helipad gewesen, damals war der Vorstandsvorsitzende mit einem neuen deutschen Partner hier gelandet und Milena zählte zu den dreißig oder vierzig Mitarbeitern der Zentrale, die den Deutschen zu begrüßen hatten. Wahrscheinlich war sie nur deswegen auserwählt worden, weil sie jung war, und an diesem Morgen in ihrem neuen Kostüm ganz besonders attraktiv wirkte.
Sie sah, dass Nolde in einigen Metern Abstand von dem Heli in sein Mobiltelefon brüllte. Maschine und Rotoren des Heli erzeugten jedoch zuviel Lärm, als dass sie hätte verstehen können, was er in sein Telefon rief.
Bei Nolde stand ein zweiter Mann, den Milena nicht kannte. Er war groß und wirkte selbst in seinem gut geschnittenen Anzug muskulös und irgendwie ja vielleicht sogar gefährlich. Er hatte dunkle Augen und sein Teint war zu dunkel und gleichmäßig, als dass er nur von einigen Sonnenbädern hätte stammen können. Neben ihm wirkte Nolde fast zerbrechlich. Dennoch strahlte er gerade wegen seiner Unscheinbarkeit eine unerschütterliche Selbstsicherheit aus, die auf Milena angenehm beruhigend wirkte.
Als das Jackett des großen Mannes vom Luftzug der Helirotoren aufwehte, sah Milena eine Waffe in einem Schulterholster.
Nolde steckte sein Telefon weg und winkte Milena zu.
Der Luftzug der Rotoren brachte ihr Haar durcheinander und zog an ihrer Bluse. Früher wäre ihr das womöglich peinlich gewesen, heute achtete sie nicht darauf.
Nolde schüttelte ihr kräftig die Hand und neigte seinen Kopf an ihr Ohr.
„Tut mir leid, unser Auftritt hier muss Ihnen ziemlich dramatisch vorkommen“, rief er.
Milena nickte nur, zu mehr – oder anderem – war sie einfach nicht fähig.
„Sie müssen mir jetzt vertrauen, Milena!“
Milena vertraute derzeit keinem anderen Menschen so sehr, wie sie Nolde vertraute.
„Ich weiß, wer Sie entführt hat. Und weshalb. Ich bin hier, um Sie abzuholen. Ich versichere Ihnen: Meine Mitarbeiter und ich können absolut für Ihre Sicherheit garantieren.“
Für einen Augenblick verlor sich Milenas Schutzpanzer aus Konzentration und Verdrängung. Ihre Knie wurden weich und in ihrem Magen bildete sich ein harter Knoten, Schweißtropfen erschienen auf ihrer Stirn.
Nolde nahm sie beim Arm und zog sie unter den flappenden Rotoren auf den Hubschrauber zu. Der große Typ im Anzug winkte dem Mann, der Milena nach oben begleitet hatte, zu und stieg dann gleich nach Nolde und Milena in den Heli.
Nolde reichte Milena Kopfhörer und führte ihr vor, wie sie sich an den gepolsterten Sitz zu schnallen hatte. Der große Fremde nahm ihnen gegenüber Platz, schnallte sich ebenfalls an, schloss dann den Einstieg und klopfte an die Glasscheibe zwischen Passagierkabine und Pilotenkanzel.
Der Lärm der Rotoren steigerte sich und Milena spürte, wie der Hubschrauber vom Dach des Bürohauses abhob. Der Pilot setzte zu einer langen Kehre über der Stadt an.
Nolde wies auf den großen Typ ihnen gegenüber.
„Das ist Ahmad Hammer, mein Geschäftspartner und Chef unserer Bodyguards“, Noldes Stimme tönte klar und deutlich aus Milenas Kopfhörern.
Hammer nickte ihr mit einem freundlich nichts sagenden Lächeln zu.
Milena versuchte zu antworten, doch sah Hammer an, dass der sie nicht verstehen konnte. Nolde wies sie darauf hin, dass sie einen Knopf gedrückt zu halten hatte, um sich mit den anderen in der Kabine verständigen zu können.
„Wohin fliegen wir? Bin ich in Gefahr? Monsieur Hammer hat immerhin eine Waffe dabei…“.
Schon während Milena sie aussprach erschienen ihr ihre Worte reichlich dumm und fehl am Platz. Anderseits traute sie sich nicht das eigentliche brennende Thema direkt anzusprechen –
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