Femme Fatales
verlangen mochte. Es war zwar nicht ganz dasselbe, wie Leibeigenschaft, aber es kam dem in gewisser Weise erschreckend nahe.
Milena verstand auch nicht, wie es ihr gelang im Angesicht von Madame so ruhig zu bleiben. Hätte sie nicht zornig sein müssen? Oder wenigstens wütend?
Vielleicht war es nur der Schock. Man verkaufte immerhin nicht jeden Tag seine Seele dem Teufel.
Erst recht nicht einem Teufel, der so glatt, sauber und vernünftig daherkam, wie Madame. Das Böse sollte doch eigentlich schmutzig sein, abstoßend, hässlich oder doch wenigstens unvernünftig und chaotisch. Aber all das war Madame nicht. Was sie in Milenas Augen nur umso gefährlicher und eindrucksvoller machte. Das war es wohl, worum es dem Bösen stets ging – Eindruck zu machen, ganz gleich um welchen Preis.
Dort lag der Mont-Blanc-Füller, daneben die Dokumente - so säuberlich auf dem Schreibtisch ausgebreitet, und da stand zuletzt Madame Vaux selbst, in all ihrer so herausfordernden Nüchternheit und schaute Milena selbstgewiss an.
Was aber war nun meine Seele wert, fragte sich Milena. Sie war Mathematikerin, es fiel ihr nicht schwer die Arbeitskraft einer Frau ihrer Qualifikation, ihres Gesundheitszustandes und Alters zu berechnen.
Aber eine Seele? Das war wohl etwas anderes. Damit ließen sich so ohne Weiteres keine Zahlenwerte verbinden.
Aber eigentlich waren das auch völlig fruchtlose Überlegungen.
Denn im Grunde wusste Milena ja längst alles, was sie zu wissen hatte, um ihre Entscheidung zu treffen. Vor allem wusste sie, dass Madame Vaux kein Nein akzeptieren würde. Und zwar schon deswegen nicht, weil ein Nein von Milena die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass sie eines Tages über Madames sehr ungewöhnliche Rekrutierungsmethoden plauderte.
Milenas stechende Kopfschmerzen kehrten zurück. Es kostete sie Mühe ihre Hände ruhig zu halten. Sie schwankte ein wenig, als stünde sie plötzlich auf sumpfig unsicherem Grund.
Milena senkte den Kopf und wandte sich steif zu Nolde um.
Nolde war der Einzige in diesem schmutzigen Spiel, der bislang stets sein Wort gehalten hatte.
Milena suchte keinen Schutz bei ihm. Für Schutz war es längst zu spät. Was sie sich erhoffte, war eine Antwort darauf, wie sie sich entscheiden sollte.
Doch Nolde wich ihren Blicken aus.
25 .
Nolde spürte Milenas Blick, aber fand nicht die Kraft ihn offen zu erwidern.
Welche Antwort hätte er auch schon parat gehabt auf jene Frage, die er dort in Milenas Augen lesen konnte? Dass es besser sei, einen Deal mit dem Teufel einzugehen, als die Karriere und vielleicht ja sogar den Hals zu riskieren?
Er war nicht der Mann, von dem sie einen Ausweg aus ihrem Dilemma erwarten durfte. Er hatte ihr gegenüber seine Pflicht erfüllt, fand er. Und Nolde stand ja hier nicht nur allein für sich, sondern auch stellvertretend für all seine Angestellten und deren Familien, deren aller Lebensunterhalt er riskierte, falls er sich gegen Madame auflehnte. Natürlich war es höchst widerwärtig, wie Madame mit Milena umsprang. Aber Erfolg bekam man nicht zum Nulltarif. Der ging immer mit Verpflichtungen einher. Die wahre Feigheit hätte eher darin bestanden, sich dieser Verpflichtung jetzt nicht zu stellen, indem er auf die innere Stimme hörte, die ihm beständig zuflüsterte, Milena zu raten Madame ihre Dokumente ins Gesicht zu werfen und türenknallend das Appartement zu verlassen.
Nein, was den Mumm eines Mannes wirklich ausmachte, war nicht dessen Prinzipienfestigkeit oder Loyalität, sondern der Mut diese in den richtigen Momenten einem höheren Gut zu opfern - zum Beispiel den über einhundert Mitarbeitern, deren finanzielle Sicherheit von ihm abhingen.
Vielleicht war es ungesund solche Kompromisse zu oft einzugehen. Aber so oft stand man ja auch gar nicht vor Entscheidungen, wie dieser.
26 .
Mile na wusste was Einsamkeit war. Sie wusste auch wie erniedrigend Hilflosigkeit und Ohnmacht waren. Aber erst, als Nolde ihrem Blick auswich, lernte sie auch was Verlassenheit bedeutete. Verlassensein fühlte sich an, wie eine plötzliche Lähmung, die vom Kopf her den Leib herabfloss, im Bauch feste Knoten bildete um einem zum Schluss jegliche Initiative und Kraft zu rauben.
Vielleicht, dachte Milena beklommen, würde der aller letzte Mensch auf der Welt sich ähnlich fühlen, in dem Augenblick, in dem ihm klar wurde, dass er von nirgends noch Hilfe oder Trost erwarten durfte, weil jetzt und hier ausgerechnet mit ihm alles enden würde.
„Mademoiselle
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