Fenster zum Tod
jemand die Finger im Spiel gehabt hatte.
Von Len hatte ich allerdings keine hohe Meinung, und dass er und ich ausgerechnet bei dieser Angelegenheit auf einer Wellenlänge sein sollten, ließ mich meine Zweifel fast wieder vergessen. Wieso war er überhaupt auf so eine Idee gekommen? Meine Phantasie war ja erst mit mir durchgegangen, nachdem ich den Traktor inspiziert hatte. Soweit ich wusste, hatte Len den Traktor aber gar nicht gesehen, solange er noch unten am Bach stand.
Stützte sich seine Meinung auf das, was mein Vater ihm erzählt hatte? Wenn ja, dann war es aber ein weiter Sprung von einem unbedachten Schubs auf der Treppe hin zu einem gezielten Stoß, um jemanden mit dem Traktor umzuwerfen. Insbesondere, wenn dieser Jemand der eigene Vater war.
Oder führte Len etwas ganz anderes im Schilde? Glaubte er, was er sagte, oder wollte er Thomas nur Ärger machen? Aber warum sollte er? Wollte er Marie irgendwelche Flausen in den Kopf setzen? Wenn ja, warum?
»Len war leider immer schon schnell mit seinem Urteil über andere zur Hand«, fuhr Marie fort. »So ist er halt. Du solltest mal hören, wie er über die Leute in Thailand redet. Sie sind ja ganz nett, aber sie fahren nicht Auto wie Amerikaner, ihre Bauvorschriften sind nicht wie unsere, und die politische Stabilität lässt auch manchmal zu wünschen übrig. Er sagt, die sollen doch endlich mit dem kleinlichen Hickhack aufhören und das Land ordentlich regieren. Und für Monarchien hatte Len auch noch nie viel übrig. Es will ihm nicht einleuchten, dass jemand ein Land regieren darf, nur weil er in die richtige Familie hineingeboren wurde. Aber es hält ihn nicht davon ab, wieder hinzufliegen, auch ohne mich.«
Thailand.
Schon seit Jahren hatte ich immer wieder Freunde schwärmen hören, wie herrlich es dort sei. Eines der schönsten Länder überhaupt. Tolles Klima, üppige Vegetation, spektakuläres Nachtleben, jahrhundertealte Kultur, phantastisches Essen. Aber jeder Reiseort hat auch seine Probleme. Paris hat seine Taschendiebe und unvorhersehbaren Streiks. London ist teuer und immer wieder das Ziel von Terroranschlägen. Vor ein paar Jahren hatte es da doch diese Bomben in Bussen und in der U-Bahn gegeben. Moskau dito. Mexiko hat seine Drogenkriege. In einigen der schönsten Städte Amerikas tobten brutale Bandenkriege.
Was hatte ich noch mal über Thailand gehört? Klar, die politischen Unruhen, die Marie gerade erwähnt hatte. Aber da war noch etwas.
Prostitution. Kinder prostitution.
Ich fragte mich, ob Maries Energielosigkeit der wahre Grund war, dass Len solche Reisen ohne sie unternahm.
Dreiundfünfzig
M an sollte meinen, das wäre das Erste, was einer überprüft«, sagte Nicole. Sie saß auf dem Beifahrersitz, die Füße gegen das Armaturenbrett gestützt. Den Eispick balancierte sie zwischen den Zeigefingern.
Lewis schwieg.
»Ich hätte mich vielleicht erst mal schlaugemacht, ob unser Mann sich tatsächlich gerade in Burlington, Vermont, aufhält, bevor ich hier raufgejettet wäre. Ist aber nur meine ganz persönliche Meinung.«
»Aber es war das richtige Haus«, sagte Lewis mit zusammengebissenen Zähnen.Der Van fuhr mit hundertdreißig Sachen durch die Nacht, und es fühlte sich an, als würde er jederzeit abheben. Sie rasten Richtung Westen. Lewis schätzte, dass sie zwei Stunden brauchen würden, um an ihr neues Ziel zu gelangen, vielleicht sogar mehr.
Als sie vor Ray Kilbrides Haustür gestanden und darauf gewartet hatten, dass ihnen jemand öffnete, wurde eine betagte Nachbarin auf sie aufmerksam, die sich als Gwen vorstellte. Sie sammle Rays Post ein und alles, was an Werbung bei ihm landete. Rays Vater sei gestorben, und er sei nach Promise Falls gefahren, um sich dort um alles zu kümmern, auch um seinen Bruder.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, hatte sie gefragt.
»Moment mal«, hatte Nicole gesagt. »Sie sagen, hier wohnt jemand, der Ray heißt?«
»Ja, das stimmt.«
Nicole hatte sich zu Lewis gedreht und gesagt: »Ich hab dir doch gesagt, das ist das falsche Haus. Wir gehören ans andere Ende der Stadt.«
Lewis hatte die Achseln gezuckt. »Ich bin ein Idiot.«
»Sie wollen also gar nicht zu Ray?«, hatte die Nachbarin gefragt.
Sie hatten verneint, waren in den Wagen gestiegen und hatten sich auf den Weg nach Promise Falls gemacht.
Unterwegs mokierte sich Nicole über Lewis’ Missgriff. Sie wollte ihn aus der Reserve locken. Auf die Palme bringen. Sehen, wie wütend er werden würde.
Das würde einen
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