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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Minigolfanlage, einen Pool und Bingo-Abende, und nachmittags um vier wurden auf der Veranda Kekse und Limonade serviert. Es war eine abwechslungsreiche Ferienwoche, aber den nachhaltigsten Eindruck hinterließ die Heimfahrt, als Dad sich für eine andere Route entschied als die, die Thomas für ihn ausgearbeitet hatte.
    Taub für alle Bitten unserer Mutter, doch zum Schwimmen oder Hufeisenwerfen zu kommen, hatte Thomas tagelang nichts anderes gemacht, als unsere Route zu planen. Wir sollten die 99 Richtung Norden nehmen und über Altoona fahren. Unterwegs fiel meiner Mutter ein, dass sie lieber über Harrisburg fahren würde, weil es da möglicherweise die eine oder andere Einkaufsgelegenheit gab. Dazu hätten wir allerdings die 76 nehmen und uns ganz schön weit von der ursprünglich geplanten Route entfernen müssen.
    »Das geht nicht!«, sagte Thomas von hinten, als er davon Wind bekam. »Wir müssen die 99 nehmen.«
    »Deine Mutter möchte nach Harrisburg, Thomas«, sagte Dad. »So schlimm ist das doch nicht.«
    »Ich hab die ganze Woche an dieser Route gearbeitet!« Er fing an zu weinen.
    »Dann entwirf uns doch eine neue, die über Harrisburg führt«, schlug Mom ihm vor. »Das wär doch was!«
    »Nein, wir müssen so fahren, wie ich es geplant habe.« Thomas ließ nicht mit sich reden.
    »Hör zu, Junge, wir fahren doch nur –«
    »Nein!«
    »Meine Güte! Ray? Sieh zu, dass du was findest, das du mit deinem Bruder spielen kannst. Wo ist denn das Buch mit den albernen Wortspielen?«
    Doch Thomas hatte sich schon abgeschnallt und auf den Rücksitz gekniet. Jetzt fing er an, den Kopf gegen das Fenster zu schlagen.
    »Verdammte Sch…«, fluchte Dad.
    »Thomas!«, schrie meine Mutter.
    Ich wollte ihn packen, doch er stieß mich weg. Und schlug den Kopf wieder und wieder gegen das Fenster. Ein kleiner verschmierter Blutfleck erschien auf dem Glas.
    Dad fuhr an den Straßenrand. Mom sprang aus dem Wagen, beinahe wäre sie auf dem Kies ausgerutscht, und riss die hintere Tür auf. Sie schlang die Arme um meinen Bruder und zog seinen lädierten, blutigen Kopf an die Brust.
    »Ist ja gut«, sagte sie. »Wir nehmen die 99. Wir fahren genau so nach Hause, wie du’s gesagt hast.«

    Ich ging nicht gerne in das Zimmer meines Bruders. In sein Revier einzudringen bereitete mir noch größeres Unbehagen, als den zutapezierten Flur anzusehen. Landkarten hingen überall an den Wänden und lagen über den ganzen Fußboden verstreut. Eines der Bücherregale quoll über von den verschiedensten Ausgaben aller möglichen Atlanten, alten spiralgebundenen Routenplanern des Automobilclubs (benutzte die eigentlich noch jemand?), großen Papprollen mit Landkarten, die Thomas sich im Internet bestellt hatte, Hunderten von Karten, die er am Computer studiert und dann ausgedruckt hatte. Satellitenaufnahmen von Städten, die ich nicht auf Anhieb erkannte.
    An der Wand stand das Einzelbett, in dem Thomas schlief, doch unter dem vielen Papier war es kaum zu entdecken. Das Zimmer sah aus, als hätten die Vandalen in der Zentrale von National Geographic gehaust. Gegen wie viele Brandschutzbestimmungen hier wohl verstoßen wurde? Hier drin und draußen auf dem kartenbehängten Flur brauchte nur jemand mit einer brennenden Kerze herumspazieren, und dieses Haus würde in Sekundenschnelle in Flammen aufgehen.
    Darüber musste ich mir ernsthaft Gedanken machen.
    Thomas saß am Computer, vor ihm eine Tastatur und drei Flachbildschirme. Auf jedem war ein anderer Browser geöffnet und zeigte jeweils eine andere Ansicht von ein und derselben Straße – links, Mitte, rechts. Am oberen Bildschirmrand war überall dieselbe Web-Adresse zu lesen: whirl 360 .com .
    Es war eine beeindruckende Webseite, das musste ich zugeben. Vor zehn Jahren hätte ich mir so was überhaupt nicht vorstellen können.
    Hatte man sie geöffnet, war die Welt zum Greifen nah. Egal, wo auf dem Globus man sich etwas ansehen wollte, man gab den Ort ein und betrachtete ihn erst von oben, als schwebe man darüber. Man konnte zwischen der herkömmlichen Kartenansicht und der Satellitenansicht wählen, und sich, wenn man wollte, bis an die Dachventilatoren auf den Wolkenkratzern heranzoomen.
    Das allein war schon genial.
    Aber es kam noch besser.
    Man konnte eine bestimmte Straße anklicken und sie sich ansehen. Wirklich ansehen. Als stünde man persönlich da, mitten auf dieser Straße. Mit jedem Mausklick konnte man sich ein paar Meter näher heranpirschen. Wenn man die Maustaste

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