Fenster zum Tod
Zugang zum Internet kappen soll, aber solange du am Computer warst, musste er sich wenigstens keine Sorgen machen.«
Thomas wollte, dass Len Prentice endlich ging, damit er sich sein Erdnussbutterbrot fertig schmieren und mit nach oben nehmen konnte.
»Marie hat gesagt, ich soll vorbeischauen. Sie meinte, es wäre nett, wenn du und dein Bruder zum Abendessen kämt.«
»Da muss ich mit Ray reden«, sagte Thomas. Er wollte da nicht hin, wagte das aber nicht zu sagen. Er würde Ray bitten, sich darum zu kümmern.
»Dein Dad hat immer gesagt, er hat keine Ahnung, warum du so bist, wie du bist. Du hockst am liebsten den ganzen Tag zu Hause vor dem Computer. Und wenn du mal rausgehst, dann nur zu deiner Psychiaterin. Wie heißt die noch mal? Gargamel?«
»Grigorin.«
»Was mir einfach nicht in den Kopf will: Nicht mal zur Beerdigung deines eigenen Vaters bist du gegangen. Bist du so computerfixiert, dass du ihm nicht einmal die letzte Ehre erweisen konntest?«
Thomas blinzelte. »Warum sagen Sie solche Sachen, Mr. Prentice?«
»Keine Ahnung. Eigentlich nur, um überhaupt was zu sagen. Ich bin ein einfacher Mann, Thomas. Mit dem ganzen Psycho-Hokuspokus kenn ich mich nicht aus. Ich dachte, ich weiß, was dieses Schizodingsda ist, was du hast, nämlich dass du eine gespaltene Persönlichkeit hast, aber dein Vater hat gesagt, das ist ein allgemeines Missverständnis und stimmt gar nicht. Was ich nicht kapiere: Wenn du weißt, dass du ein Problem hast, warum tust du dann nichts dagegen?«
»Ich hab kein Problem«, sagte Thomas.
Len lachte leise. »Ein Sohn, der nicht zur Beerdigung des eigenen Vaters geht? In meinen Augen hat der ein ganz gewaltiges Problem.«
»Ich hatte zu tun. Und außerdem …«
»Außerdem was, Thomas?«
»Außerdem waren da Leute, die ich nicht treffen wollte.«
»Wer zum Beispiel? Meinst du vielleicht mich, Thomas? Ich war doch immer nett zu dir, oder etwa nicht?«
Thomas schüttelte den Kopf. »Ich muss mir mein Mittagessen machen. Ich mach mir gerade ein Erdnussbutterbrot.«
»Ich hab eine Idee«, sagte Len Prentice. »Ich lade dich irgendwohin zum Essen ein.«
»Was?«
»Ich meine, du kommst jetzt mit mir aus dem Haus, und wir fahren mit dem Auto irgendwohin zum Essen.«
»Ich hab doch schon angefangen, mir ein Brot zu machen«, sagte Thomas und zeigte auf die Arbeitsplatte.
»Na und? Das hebst du dir eben für den Nachmittag auf. Ich fahr dich ein bisschen spazieren. Es würde dir guttun, mal rauszukommen.«
»Nein.«
Len stellt sein Bier ab und sagte. »Ich bestehe darauf.«
»Ich will aber nicht.«
Len kam auf ihn zu. »Ich glaube, da hat dein Vater einen Fehler gemacht. Er hat dir immer deinen Willen gelassen. Er hätte strenger sein müssen, dich mit neuen Dingen konfrontieren. Wir könnten nach Promise Falls hineinfahren und dort zu McDonald’s gehen oder uns eine Pizza holen. Wir könnten auch zu mir nach Hause fahren, und Marie soll dir was zu essen machen.«
Thomas trat einen Schritt zurück.
»Weißt du, nach dem, was ich gehört habe, musst du dich sowieso an den Gedanken gewöhnen, dieses Haus zu verlassen. Was ist, wenn dein Bruder es verkauft?«
»Vielleicht tut er das gar nicht.«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass er dich hier allein wohnen lässt? Das wäre keine sehr schlaue Idee.«
»Vielleicht bleibt er auch hier wohnen. Wir könnten alle beide hier wohnen.« Aber noch während er es aussprach, kamen Thomas Zweifel, ob er das wirklich wollte. Er liebte seinen Bruder, aber der war manchmal so schwierig. Wie ihr Vater. Der hatte auch immer rumgenörgelt, wegen Dingen, für die Thomas nichts konnte.
»Na egal, ihr werdet schon das Beste draus machen«, sagte Len. »So, brauchst du noch eine Jacke oder so? Ich weiß nicht, wie’s dir geht, aber ich hätte Lust auf Kentucky Fried Chicken. Magst du KFC?«
Und ob Thomas KFC mochte. Nur wollte sein Bruder ihm nie Sachen von da holen. Ihr Vater hatte es manchmal getan. Aber mit Len Prentice wollte er nirgendwohin gehen. Er spürte, wie er ganz kribbelig wurde, als hätte er irgendwelche kleinen Tiere unter der Haut. Seine Atmung beschleunigte sich. Wurde flach. Er wäre ja vielleicht auch gern mal ausgegangen. Nicht lange. Und mit Leuten, die er mochte, denen er vertraute. Len Prentice mochte und vertraute er nicht.
Und sein Vater hatte ihn auch nicht besonders leiden können. Ja, sie waren so was wie Freunde gewesen. Hatten sich manchmal getroffen und gemeinsam Sport geguckt, ein Bier getrunken. Doch
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