Ferdinand Graf Zeppelin
siehst du noch ein zweites Dampfschiff da drüben?«
»Nein … natürlich nicht«, stotterte der Bootsführer. »Aber … was sollen wir denn da drüben?«
»Wir werden dem Kapitän sagen, dass er mit der »König Karl« das Luftschiff aus der Uferzone schleppen und sicher auf dem offenen Wasser halten soll, bis wir dann selbst wieder flott sind und es mit der »Württemberg« zurück nach Manzell bringen können.«
»Das Schiff mit den Ehrengästen! Also … also darauf wäre ich jetzt wirklich nicht gekommen!« Marx kam heute aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
»Dafür hast du ja uns«, grinste der ansonsten so trockene Dürr, dem die grenzenlose Erleichterung über die geglückte Befreiungsaktion deutlich anzumerken war. »Und die Ehrengäste werden damit ein weiteres unvergessliches Erlebnis serviert bekommen. Sage also keiner von denen, die Warterei habe sich nicht gelohnt!«
Auch dieser Teil des Planes ging problemlos auf: die vom Marxschen Boot mitgebrachte Halteleine wurde am Heck des Dampfschiffs befestigt, der Kapitän der »König Karl« ließ ganz vorsichtig »Langsame Fahrt voraus« aufnehmen, die Halteleine straffte sich und das Luftschiff kam in Bewegung. Bald schon hatte es unter dem frenetischen Jubel der zahlreichen Ehrengäste die freie Wasserfläche erreicht. Die Gefahr war gebannt – und das Luftschiff bis auf den kleinen Riss im Stoff der Außenhülle intakt. Das Allerwichtigste aber: alle fünf Insassen der ersten Fahrt eines nach dem Prinzip des Grafen Zeppelin gebauten Luftschiffes hatten dieses Erlebnis unversehrt überstanden. Keiner war zu Schaden gekommen. Niemand hatte auch nur eine Schramme davongetragen. »Allenfalls in den Magen ist es mir gefahren – und das sogar recht kräftig«, murmelte der immer noch leichenblasse Berichterstatter Eugen Wolf, als er viele Stunden später in Manzell aus der hinteren Gondel in das bereitstehende Floß umstieg, mit dem das Luftschiff behutsam zurück in die Schwimmhalle bugsiert wurde. Um halb zwei Uhr in der Frühe war es dann endlich vollbracht: das Schiff lag wieder gut vertäut an seinen Haltetrossen in der Halle. Langsam schlossen sich die Türen. Das Abenteuer war zu Ende.
»Aber über ihr kleines Malheur werden Sie ja wohl nicht schreiben«, grinste der Monteur Gross anzüglich zu Wolf hinüber, als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Auch Gross war freilich nicht minder froh und glücklich, mit heiler Haut davon gekommen zu sein. Allein wenn er versuchte, sich an die Dutzende von Kommandos zu erinnern, mit denen der Graf die Motoren erst stoppen und dann wieder in die entgegen gesetzte Richtung hatte laufen lassen. Das waren allerhöchste Anforderungen an das Material gewesen. Doch die Motoren hatten ihren Dienst problemlos verrichtet. Im krassen Gegensatz zu der gebrochenen Kurbel des Laufgewichts. Die verdammte Kurbel, die das Problem gleich nach dem Aufstieg ausgelöst hatte! Wie oft sie vom Vorwärtsgang in den Rückwärtslauf gewechselt hatten ließ sich gar nicht mehr sagen. Klar war nur, der Graf hatte mit seinen Befehlen Nervenstärke bewiesen und eine ungeheure Kaltschnäuzigkeit an den Tag gelegt. Ohne diese bewundernswerten Eigenschaften, die man Zeppelin ja seit seiner Zeit als junger Kavallerieoffizier nachsagte, wären sie in dem gefährlich trudelnden Luftschiff verloren gewesen. Mit dieser Einschätzung stand Gross nicht allein. Auch alle anderen Mitfahrer waren derselben Ansicht.
Doch sei es, wie es wolle: Zeppelins erster Aufstieg durfte als Erfolg gewertet werden. Immerhin 18 Minuten hatte die gesamte Fahrt gedauert. Und sie hatten dabei – trotz aller Probleme – eine Höchstgeschwindigkeit von über 29 Stundenkilometern erreicht, wie Bassus freudestrahlend verkündete. Damit waren sie mehr als zehn Stundenkilometer schneller gewesen, als die von zahlreichen Legenden umrankte »La France«, die sich doch nur wenige Minuten in der Luft gehalten hatte – und das noch bei völliger Windstille.
Aber dennoch … Wäre da nicht dieses Missgeschick mit der Kurbel passiert, dessen Ursache freilich wiederum im zu späten Loslassen der Halteseile am Heck zu finden war, dann … Doch das sollte jetzt erst einmal keine Rolle spielen. Die erste Fahrt des Luftschiffes war erfolgreich absolviert. Punktum!
Wenn das kein Grund zum Feiern war!
Es war ein Grund – und folglich gab es eine ausgelassene Feier, zu der Graf Zeppelin alle Mitarbeiter für den kommenden Abend ins Friedrichshafener
Weitere Kostenlose Bücher