Ferdinand Graf Zeppelin
kann. Es sollte keine Woche bis zum nächsten Aufstieg ins Land gehen. Das wäre ein wichtiges Signal.« Die kleine Runde seiner engsten Mitarbeiter, die Zeppelin am heutigen Nachmittag in der Schwimmhalle um sich geschart hatte, machte bedenkliche Gesichter. Und obwohl der Spezialist für Fluggase bedächtig nickte, zog er dennoch seine Stirn in tiefe Falten: »Das müsste von der Konstruktion her durchaus möglich sein. Die Motoren haben sich ja als zuverlässig erwiesen – mangelnde Leistungskraft hin oder her – ebenso das Aluminiumgerippe und die Gaszellen. Das Problem sehe ich in erster Linie beim Wasserstoff. Denn die Qualität, die sie uns aus Griesheim geliefert haben, die passt mir ganz und gar nicht. Das Gas ist eindeutig von schlechterer Konzentration, als das bei den vorherigen Lieferungen.«
Zeppelin vermeinte, sich verhört zu haben. »Schlechtere Qualität! Und das zu diesem horrenden Preis!«
»Die Transportkosten nach Friedrichshafen sind höher als die Herstellungskosten in Griesheim«, gab Uhland zu bedenken, wurde mit seinem Einwand jedoch einfach überhört.
»Wir sollten uns auf Dauer sowieso von Griesheim unabhängig machen. Am besten, wir planen möglichst bald den Bau einer eigenen Gasherstellungsanlage«, warf Bassus ein.
»Ach, das ist doch Zukunftsmusik«, wischte der Graf den Vorschlag unwirsch vom Tisch. »Wir haben hier und heute ganz andere Sorgen. Meinen Sie, dass ein neuer Aufstieg funktionieren wird – trotz der schlechteren Gasqualität?« Bassus wiegte skeptisch den Kopf. »Schwierig zu sagen. Mit weniger Ballast eventuell. Aber es ist und bleibt eine heikle Geschichte. Wir werden das Schiff dann noch sorgfältiger ausbalancieren müssen …«
»…das ist kein Problem«, ging Dürr spontan dazwischen. Ausgerechnet Dürr, der ansonsten doch alles doppelt und dreifach überprüfen musste! Augenscheinlich schien sich Dürr darüber im Klaren zu sein, wie wichtig der neue Aufstieg war.
»Nun gut«, nickte Bassus. »Ich bin mir allerdings nicht zu einhundert Prozent darüber im Klaren, wie sich diese schlechtere Gasqualität tatsächlich auf die konkreten Auftriebseigenschaften auswirken wird – aber ich sehe ein: wir müssen es zumindest versuchen. Es ist letztlich jedoch ganz allein Ihre Entscheidung, Exzellenz.«
Bedächtig fuhr sich Zeppelin mit der rechten Hand durch den weißen Schnurrbart, um sein Gegenüber danach ernst in sein Visier zu nehmen: »Sie sind also dabei?«
»Ich bin dabei!«
Zeppelin bedachte ihn mit einem anerkennenden Blick.
»Nun gut! Dann werden wir die Sache anpacken!«
Der dritte Start des Luftschiffes erfolgte bereits am 21. Oktober 1900 – und die Fahrt dauerte nur 23 Minuten. Die schlechte Qualität des Wasserstoffgases hatte sich negativer bemerkbar gemacht, als es Bassus vermutete, weshalb sich der Graf gezwungen sah, viel schneller den Befehl zur Landung zu erteilen, als geplant. Aber Sicherheit ging vor. Eine Havarie durften sie keinesfalls riskieren. Aber die Zeit am Himmel war zu kurz gewesen. Viel zu kurz. Es gab nichts an dieser bitteren Erkenntnis zu deuteln: Der Aufstieg Nummer drei musste als gescheitert betrachtet werden. Ferdinand von Zeppelin hätte sich nie und nimmer derart unter Druck setzen lassen sollen, wie er das – rückblickend zu seinem eigenen Erstaunen – zugelassen hatte. Ein Mann, der so viele gefährliche Situationen im Leben mit Bravour und Nervenstärke gemeistert hatte! Und dann … ließ er sich von einem einzigen, überkritischen Zeitungsschreiber und einigen hasenfüßigen Depeschen seiner Mitgesellschafter irritieren und zu einem überhasteten Aufstieg verleiten!
Nun denn! Im Grunde genommen war ja nichts passiert. Höchstens, dass sie Lehrgeld gezahlt und im Hinblick auf die erforderliche Reinheit des Wasserstoffs neue Erkenntnisse gewonnen hatten. Als bedauerlicher Probelauf hätte es in die Chronik der Luftschifffahrt eingehen können und wäre nach dem vierten und fünften von Erfolg gekrönten Versuch rasch wieder in Vergessenheit geraten. Doch es kam zu keinem vierten und fünften Aufstieg mehr! Die finanziellen Mittel der »Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt« waren restlos erschöpft – für eine weitere Gasbefüllung war schlichtweg kein Geld mehr vorhanden. Und nachdem die Zeitungsberichte über die vorzeitig abgebrochene Luftfahrt des »Zeppelin« die Euphorie in ganz Deutschland schlagartig hatte verpuffen lassen, zeigten die Anteilseigner endgültig keinerlei Bereitschaft
Weitere Kostenlose Bücher