Ferdinand Graf Zeppelin
sich die Behörden äußerst schwer tun, dir eine neue Chance zu verweigern, glaube mir.«
Bellas Worte verfehlten ihre Wirkung auf Ferdinand nicht. Er nickte nachdenklich, dann plötzlich schien es so, als ginge ein Ruck durch seinen Körper. Er reckte das Kinn unternehmungslustig nach vorne, während er seine Ehefrau prüfend fixierte. »Du möchtest also, dass ich weitermache, Bella?«
»Ja, das möchte ich«, entgegnete sie feierlich.
»Und es wird dir auch künftig keine Last sein, an der Seite des unverbesserlichen »Narren vom Bodensee« gesehen zu werden?«
»Es wird mir auch künftig ein Vergnügen sein, fest und treu an der Seite des Helden vom Bodensee wahrgenommen zu werden«, deklamierte Bella. »Und am Besten ist es, wenn du gleich damit beginnst, einmal klar und deutlich niederzuschreiben, was du mir vorhin erklärt hast: dass es nicht an einem Fehler beim Luftschiff gelegen hat, sondern dass das Scheitern bei Kißlegg aus ganz anderen Gründen erklärbar ist.«
»Das wäre eine leichte Übung«, sinnierte der Graf. »Denn tatsächlich liegt die Schuld ja weitgehend bei uns selbst. Wir sind aus Mangel an Erfahrung, aus Zeitdruck und aus Unvorsichtigkeit schlichtweg viel zu schnell und zu hoch emporgestiegen, in eine Höhe, in der ein viel zu starker Wind geweht hat. Das Schiff hat deshalb plötzlich angefangen zu bocken und zu stampfen, was wir durch einen ungeschickten Einsatz der Steuerruder leider noch verstärkt haben. Dadurch sind wir kaum noch voran gekommen – und als dann schließlich der vordere Motor seinen Dienst versagt hat, da haben sich die negativen Begleiterscheinungen dieser Fahrt sozusagen multipliziert. Und dennoch: das ist mein eigentliches Fazit, hat sich das Luftschiff selbst unter diesen widrigen Bedingungen glänzend bewährt. Nicht die Konstruktion als solche ist fehlerhaft, vielmehr war es unser Verhalten. Sogar die Landung auf dem freien Feld mit nur einem funktionierenden Motor ist erstaunlich glatt verlaufen.«
»Es ist also vergleichbar mit einem Schiffsunfall: wenn ein Dampfer nur wegen mangelnder Übung und Erfahrung seines Steuermanns auf Grund gerät und später vom Sturm zerstört wird, so wird ja auch kein denkender Mensch den Schluss draus ziehen, dass der Dampfer deshalb ein untaugliches Schiff gewesen ist.«
Ferdinand von Zeppelin bedachte Isabella mit einem anerkennenden Blick. »Exakt! Du hast es hundertprozentig verstanden. Genau das wollte ich damit ausdrücken!«
»Du solltest diese Analyse nicht nur an den preußischen Generalstab schicken, sondern sie möglichst überall in den Zeitungen veröffentlichen, und einen weiteren Brief natürlich auch so schnell wie möglich an unseren König Wilhelm II. schicken, damit der sich aus erster Hand ein Bild über die tatsächlichen Ursachen der Havarie machen kann.«
»Dann habe ich also wieder mehr als genug zu tun und muss nun doch nicht als pensionierter Kavallerieoffizier meine einsamen Runden durch den Kurpark drehen«, schmunzelte Zeppelin, der seine Tatkraft wiedergefunden hatte. »Ich danke dir für deine lieben Worte, Bella.« Er nahm Isabella zärtlich in die Arme und drückte ihr einen innigen Kuss auf die Lippen. »Ich werde also weiterbauen! Und noch etwas werde ich tun: nämlich den Stier bei den Hörnern packen und ihn von Angesicht zu Angesicht direkt mit seinen Argumenten konfrontieren!«
»Wen meinst du damit?«
»Diesen Dr. Eckener!«
»Aber ich habe dir doch gerade vorgelesen, wie sehr ihn der Anblick des zerschmetterten Luftschiffs wohl mitten ins Herz getroffen hat. Er steht doch schon an deiner Seite«, wunderte sich Bella.
»Emotional vielleicht. Aber nicht, was das Prinzip meiner Schiffe angeht, da ganz und gar nicht. Denn was er im folgenden Artikel über die Ursachen der Notlandung geschrieben hat, dass aufgrund des Luftdrucks angeblich die Steuerung von der Gondel zu den Luftschrauben versagt habe, ist schlichtweg falsch. Weder war der Druck zu hoch, noch hat die Steuerung auch nur für die Dauer einer Sekunde nicht funktioniert. Und dennoch versucht der Eckener in seinem Bericht, scheinbar stichhaltig zu argumentieren, weshalb starre Luftschiffe keine Zukunft haben könnten und weswegen es geradezu zwangsläufig zu der Havarie habe kommen müssen: das kann ich einfach so nicht stehen lassen. Der Schaden, der mit solchen falschen Behauptungen angerichtet wird, ist grenzenlos. Zumal dieser Eckener, der ja anscheinend ein studierter Philosoph ist, in seiner ahnungslosen Analyse
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