Ferdinand Graf Zeppelin
auch noch eine klare wissenschaftliche Unkenntnis an den Tag gelegt hat. Ich werde den Herrn also persönlich aufsuchen und ihm einmal in aller Deutlichkeit die Leviten lesen!«
»Weißt du denn überhaupt, wo er wohnt?«
»Das lasse ich den Marx herausfinden, der hat ja die allerbesten Kontakte in Friedrichshafen. Das ist für meinen Marx keine schwere Aufgabe. Ich muss nur aufpassen, dass er dem Eckener nicht vorher auflauert und ihm kräftig den Hintern versohlt. Das ist bei dem lieben Marx nicht ganz ausgeschlossen.«
Ludwig Marx konnte sich beherrschen. Tatsächlich stand Graf Zeppelin schon am Morgen des folgenden Tages vor der Wohnungstüre von Hugo Eckener und bat nach einer knappen Grußformel um ein sofortiges Gespräch. Der von dem überraschenden Besuch völlig perplexe Eckener bat den Grafen mit nervösen Worten herein. Es folgte eine stundenlange Unterredung, die mit recht harschen Worten begann und in der Zeppelin dem zunehmend verlegener werdenden Eckener alle sachlichen Fehler im Artikel penibel auflistete und sie ausführlich widerlegte. Bald veränderte sich die Tonlage: der Graf hatte den Journalisten mit der Stichhaltigkeit seiner Argumentation restlos überzeugt. Dazu jene Begeisterungsfähigkeit, die jedem Jugendlichen zur Ehre gereicht hätte, die der alte Herr mit seinen über 67 Lebensjahren an den Tag legte. Dr. Hugo Eckener war mit fliegenden Fahnen auf Zeppelins Seite übergeschwenkt! Mehr noch: ausgerechnet Eckener, zunächst noch äußerst misstrauisch beäugt von den treuen Weggefährten des Grafen, fungierte schon wenige Tage später sogar als offizieller Berichterstatter und Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit für Zeppelins Unternehmen. Von Eckeners brillanter Schreibweise und seinem überzeugend – eloquenten Auftreten erhoffte sich Zeppelin das Einwerben so mancher größeren Spende. Das war Eckeners wichtigste Aufgabe: Geld für einen Weiterbau zu besorgen. Zunächst würde der Graf die Kosten wieder aus seinem Privatvermögen bestreiten, doch auf Dauer gesehen brauchten sie neues Kapital. Zwar konnten im neuen »LZ 3« viele brauchbare Teile des verunglückten Vorgängerschiffes verwendet werden, doch beispielsweise für die neuartigen, gefiederten Stabilisierungsflächen, die sie zur Dämpfung der Stampfbewegungen bei großer Windstärke erst am Heck und später auch am Rumpf montierten, brauchte man neues Material – und damit auch neues Geld, das der rastlos tätige Eckener an allen Ecken und Enden von Deutschland einzutreiben versuchte. Mit überragendem Erfolg! »Sie werden es nicht glauben, Exzellenz! Das preußische Kriegsministerium hat eine Lotterie mit einem Erlös von über 250.000 Mark zur Unterstützung des Luftschiffbaus bewilligt.«
»Na endlich!« knurrte Zeppelin. »Das haben sie freilich nur wegen des schlechten Gewissens getan, das ich bei ihnen ausgelöst habe, weil sie mein Angebot, die Werftanlagen zu kaufen, ausgeschlagen haben. Ich habe ja damit gedroht, in diesem Falle die ganze Firma zu liquidieren, das freilich möchten sie angesichts des wohlwollenden Interesses, das mir aus der Öffentlichkeit entgegenschlägt – nicht zuletzt dank Ihrer rastlosen Bemühungen, mein lieber Dr. Eckener – momentan aber nicht riskieren. Deshalb nun die Genehmigung für die Lotterie, das ist ja höchst angenehm für den preußischen Staat, weil er damit keine eigenen Mittel aufwenden muss. Und ob die Lotterie tatsächlich zustande kommen wird, das steht auf einem ganz anderen Blatt …«
»Sie sollten nicht gar so pessimistisch sein, Exzellenz. Ich kann nun mit der Lotteriezusage im Rücken immerhin wieder einen wunderbaren Aufruf an das deutsche Volk zu einer noch weitergehenden Unterstützung Ihrer Sache verfassen«, strahlte Eckener.
Allein die Nachricht über die Bewilligung der Lotterie verlieh ihnen Flügel, wenngleich sie am Ende dann doch nicht ausgespielt werden konnte – mannigfaltige bürokratische Hemmnisse der preußischen Behörden hatten es verhindert. Aber das spielte zu diesem Zeitpunkt keine entscheidende Rolle mehr. Die Mittel zur Fertigstellung des »LZ 3« waren längst auf andere Weise nach Friedrichshafen geflossen: »Dann soll die Welt halt auf mein Luftschiff verzichten«, hatte der Graf in seiner ersten Wut über »die preußischen Bremser und Verhinderer« noch ausgerufen, doch inzwischen war ihm von König Wilhelm II. bereits die Neuauflage einer eigenen Lotterie für Württemberg genehmigt worden. Die Einnahmeerwartungen der
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