Ferdinand Graf Zeppelin
Bootsinsassen nun fröhlich zu – worauf der Graf und sein Begleiter nicht minder fröhlich zurück winkten. »Das ist die Komtesse Hella, meine Tochter«, erklärte Zeppelin strahlend. »Anscheinend hat sie gerade ein paar freie Stunden. Sie ist nämlich Hofdame bei der Königin, die hier in Friedrichshafen immer die Sommermonate zu verbringen pflegt. Aber wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun wieder auf Ihre künftige Arbeit. Dort drüben«, der Graf streckte seinen Arm weit aus. Vor ihnen in der Bucht war eine riesige Halle zu erkennen, an der zahlreiche Arbeiter gerade damit beschäftigt waren, große Platten als Dachfläche zu montieren. »Das ist die Reichsschwimmhalle, die demnächst für das Luftschiff zur Verfügung stehen soll.«
»In spätestens zwei Wochen muss das Ding endlich fertig sein«, ergänzte Basuss in seinem tiefen Bayrisch. »Und dann würden Sie, Herr Hacker, das Luftschiff unter Ihrer Obhut haben, wenn Sie sich – was beinahe nicht anders zu vermuten ist – als Bewerber angenommen worden sind. Da drüben können Sie es jetzt erkennen!«
Was für ein atemberaubender Anblick! Selbst wenn Hacker natürlich in den Zeitungen schon Bilder von dem riesigen Luftschiff gesehen hatte: Niemals hätte er sich die wahren Dimensionen ausmalen können, die sich noch um ein Vielfaches gewaltiger darstellten, wenn man unmittelbar am Heck des Luftschiffes vorüberfuhr. Das Boot legte an, die drei Männer kletterten an Land und betraten wenig später die alte Montagehalle. Es war ein Respekt einflößendes Erlebnis, nun direkt neben dem majestätischen Schiff zu stehen!
»Wie gefällt es Ihnen?«
Hacker schluckte trocken, bevor er sich imstande sah, zu antworten. »Es … es ist ein wunderbares Gebilde!«
Aus der Halle kam ein schlanker, wohl um die 30 Jahre zählender Mann auf sie zu. »Das ist der Herr Dürr. Unser Oberingenieur, das wäre dann Ihr künftiger Vorgesetzter«, erklärte Bassus, während Dürr nach einer zwar kurzen, aber freundlichen Begrüßung Hackers den Grafen sofort mit einer Diskussion über die Eigenschaften eines Bauteils in Beschlag nahm. »Typisch Dürr. Das ist bei dem immer so – da gibt es immer etwas zu diskutieren und zu verbessern«, lächelte Bassus, »Kommen Sie, Hacker, wir inspizieren inzwischen einmal die vordere Gondel. Da kann ich Sie dann gleich mit den verschiedenen Funktionen vertraut machen. Als Seemann wird Ihnen das meiste ja bekannt vorkommen, anderes wiederum nicht. Schauen Sie, das hier beispielsweise, das ist das Postschiffchen. Mit dem können sie über dieses Drahtseil eine Anweisung in die hintere Gondel schicken. Und nun Achtung: Ohren zu!« Kaum hatte er es ausgesprochen, ließ er vom Kommandostand aus die große Achtungsglocke in der hinteren Gondel ertönen. Ein ohrenbetäubender Lärm! »Davon werden die Toten wieder wach, nicht wahr?« lachte Bassus dröhnend und fuhr mit seiner Erklärung fort. »Sehen Sie übrigens den Stoff der Hülle von unserem Schiff: dabei handelt es sich um ein besonders fein gesponnenes Gewebe aus bester ägyptischer Baumwolle. Sicherlich viel feiner, als ein normales Segeltuch, was meinen Sie?«
»Das kann man in der Tat sagen«, staunte Hacker nicht schlecht über die einzigartige Qualität des leicht gelblich schimmernden Stoffes.
»Und hier der Steuerkompass und die Peilvorrichtung, aber das werde ich Ihnen ja wohl nicht im Einzelnen erklären müssen. Das sind Dinge, von denen ich denke, dass Sie uns manchen wertvollen Verbesserungsvorschlag machen können. Aber das hat Zeit bis demnächst, heute sollen Sie sich erst einmal einen ersten Überblick über alles verschaffen!«
Georg Hacker schwirrte der Kopf, als die drei Männer eine gute Stunde später vom Luftschraubenboot wieder zurück nach Friedrichshafen gebracht wurden, wo es sich der Graf nicht nehmen ließ, den Stellenbewerber seiner Frau und seiner Tochter vorzustellen. »Willkommen am blauen Schwabenmeer!« drückten sie dem verlegenen Hacker freundlich die Hand. Kurze Zeit später stand Hacker, noch völlig benommen von den überwältigenden Eindrücken dieses Tages wieder am Bahnhof von Friedrichshafen und wartete auf den Zug, der ihn zurück nach Wilhelmshaven bringen sollte. Hoffentlich nicht mehr für lange Zeit! Denn das, was er am heutigen Tag hatte erleben dürfen, bestärkte ihn in seiner festen Absicht, die Stelle als Steuermann eines Zeppelin-Luftschiffs unbedingt übernehmen zu wollen. Hoffentlich fiel die Wahl des Grafen Zeppelin auf ihn!
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